Deutsche Städte verwerten Zahngold von Toten

Deutsche Städte verwerten Zahngold von Toten
250.000 € im Jahr lukriert Nürnberg mit dem Gold der Verblichenen - auch andere Städte profitieren so. Der Bestatterverband ist empört.

Mit dem Zahngold von Verstorbenen lässt sich, so scheint's, viel Geld verdienen: Einige Städte verwerten systematisch, was nach der Einäscherung übrig bleibt, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ergab. Die Kommunen würden mit der Verwertung bis zu mehreren hunderttausend Euro im Jahr verdienen.

Meistens werde das Geld für soziale Zwecke gespendet, mal würden es die Städte in den eigenen Haushalt fließen lassen, so das Ergebnis. Heftige Kritik daran kommt indes vom Bundesverband Deutscher Bestatter. "Das empfinde ich wie ein Ausschlachten des Menschen", sagte Präsident Christian Streidt.

250.000 Euro im Jahr

Die Stadt Nürnberg verdient nach Angaben der Friedhofsverwaltung rund 250.000 Euro jährlich mit Altgold. In Karlsruhe sind es 90.000 Euro, in Ludwigsburg, Dortmund und Reutlingen mehrere zehntausend. Das Zahngold könne - je nach verwendetem Material und Menge - bei einer Einäscherung zwischen 5 und 200 Euro ergeben, erläutert Dominik Lochmann von der Edelmetall-Service GmbH. Vor allem bei einem hohen Goldpreis kann das ein lukratives Geschäft sein.

Der Erlös der Metall-Verwertung kommt meistens der Allgemeinheit zugute. In Nürnberg wurden neue Stühle angeschafft und Toiletten gebaut; in Reutlingen fließt der Erlös in den städtischen Haushalt, um die Kosten für Einäscherungen niedrig zu halten. Ähnlich ist es in Dortmund, hier werden die Erlöse 1:1 dem Gebührenhaushalt zugeführt. In Karlsruhe wird das Geld für die Pflege verwahrloster Gräber oder die Trauerbegleitung eingesetzt.

Jedoch nicht alle Städte verwerten das Zahngold, versteht sich - viele füllen es stattdessen mit in die Urne. Das Sächsische Sozialministerium etwa hält die Asche eines Verstorbenen für „unteilbar". Auch Hamburg, Erfurt, Köln, Augsburg, Greifswald, Essen und Schwerin handhaben das so. "Zum einen ist die Frage nicht geklärt, wem das gehört, und zum anderen kommt man da schnell in ein schlechtes Licht", sagte Bastian Schenk vom privat betriebenen Krematorium im baden-württembergischen Aalen. Zudem fehlen vielen Krematorien die notwendigen technischen Mittel. In Augsburg gibt es nach Angaben der Stadt kein Geld für das 40 000 Euro teure spezielle Gerät, das Gold und Asche trennt.

Größere Metallteile wie künstliche Gelenke oder Sargbeschläge werden vor der Bestattung hingegen immer heraussortiert. „Hüftgelenke zum Beispiel sind einfach zu groß für die Urne", sagte Streidt. Metall im Wert von 60 bis 70 Euro komme so pro Einäscherung zusammen. Danach ist das Vorgehen der Krematorien unterschiedlich. Einige filtern Edelmetalle mit speziellen Maschinen aus der Asche heraus.

"Respektlos"

Die systematische Verwertung der Edelmetalle ist für Bestatter-Sprecher Streidt respektlos. "Irgendwann muss mal eine Grenze sein, dass man sagt, das ist ein Mensch", sagte er. "Dass wir anfangen, uns auszuschlachten wie Fernseher oder Handys, ich finde das nicht mehr richtig."

Allerdings: Die Angehörigen der Toten haben das erste Recht auf das Metall. Sie können es vor der Verbrennung von einem Pathologen oder Zahnarzt entfernen lassen, was aber nur selten vorkommt. Das sei pietätlos und bisher auch noch nie von Angehörigen gewünscht worden, berichtete der Bestatterverband Mecklenburg-Vorpommern. Auch nach der Verbrennung werden die Metalle nur selten den Angehörigen übergeben. Sie könnten mit einem einzelnen Teil meistens gar nichts anfangen, sagte Streidt.

In Karlsruhe und Ludwigsburg müssen die Angehörigen vor der Verbrennung des Toten zustimmen, dass die Stadt die Überbleibsel verwerten darf. In München muss der Tote noch zu Lebzeiten verfügt haben, wem er sein Zahngold vermachen will. Hat er das nicht getan, wird es automatisch mitbestattet.

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