Bulgariens Finanzminister: "Nationales Denken beherrscht EU"

Bulgariens Finanzminister: "Nationales Denken beherrscht EU"
Der bulgarische Vize-Premier und Finanzminister Simeon Djankov kritisiert im KURIER-Interview das zu langsame Handeln der EU-Politiker.

Bulgarien hat sehr gute Wirtschaftsdaten und erfüllt bereits die Kriterien für die Euro-Teilnahme.

KURIER: Herr Minister, wann ist Bulgarien Euro-Land?

Simeon Djankov:Wir erfüllen die Maastricht-Kriterien, werden dem Euro aber nicht sehr bald beitreten. Es gibt dramatische Veränderungen in der Euro-Zone, die für uns kein sicherer Platz mehr ist. Wir wissen nicht, was mit der Euro-Zone in den nächsten ein, zwei Jahren passiert.

Also kein Euro-Beitritt im Jahr 2014?

Nein. Wir warten jetzt, wie sich die Banken- und Fiskalunion weiterentwickeln. Gerade wurde die Bankenunion beschlossen, sie sollte Ende 2012 kommen, es wird aber länger dauern. Außerdem will Frankreich die Steuern harmonisieren, eine sehr schlechte Idee. Wenn das kommt, treten wir der Euro-Zone nie bei.

Warum?

Wir haben die Flat-Tax von zehn Prozent, das ist niedriger als der EU-Schnitt. Es ist ein Wettbewerbsvorteil und zieht Investoren an.

Wie sehr ist Bulgarien von der Schuldenkrise betroffen?

Ein Drittel unseres Bankensektors war in griechischer Hand, der Anteil wurde stark reduziert. Uns beschäftigen die Probleme in Rumänien und Serbien.

Was sagen Sie zu den Turbulenzen in Rumänien?

Wir sind besorgt über die Situation. Das Land entwickelt sich zurück in die Zeit des Kommunismus, in die Zeit von Nicolae Ceauşescu. Ich bin seit 2009 Finanzminister und habe fünf rumänische Amtskollegen erlebt. Mit so raschen Ministerwechseln kann es keine politische Stabilität geben.

Wie schützt sich Bulgarien vor der Krise?

Mit starker Fiskaldisziplin wie Österreich und Deutschland. Mit einer Pensionsreform, das Pensionsantrittsalter für Frauen und Männer wurde auf 65 Jahre erhöht. Und mit Privatisierungen. Bis Ende des Sommers ist der Cargo-Bereich der Eisenbahn privatisiert. Auch im Energie-Sektor gibt es Privatisierungen.

Sie fordern eine radikale Reform der Europäischen Zentralbank. Soll sich die EZB zu einer Federal Reserve ( US-Notenbank ) entwickeln?

Ich denke, ja. Die EZB soll nicht nur für die Euro-Länder zuständig sein, sondern für die ganze EU. Die EZB sollte – wie die Fed – die Instrumente haben, um schnell und flexibel zu reagieren. Weil die EZB diese Instrumente nicht hat, dauert die Krise noch länger.

Soll sie auch Geld drucken?

Die EZB hat es ja gemacht, 2011 und 2012, zuvor aber zwei Jahre gewartet. Ohne Zögern hätten sich die Probleme in Irland, Portugal und Spanien nicht so vertieft. In Griechenland gibt es Probleme mit den öffentlichen Finanzen und der Politik.

Haben die Politiker der Euro-Zone in der Krise richtig gehandelt?

Nein. Sie haben zu langsam gehandelt. Fehlentscheidungen haben die Krise verlängert. Ich habe 2009 die Schuldenbremse vorgeschlagen, sie kam zweieinhalb Jahre später. Das führt dazu, dass niemand mehr Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der EU und in die Erfüllung ihrer eigenen Kriterien hat. Auch die Griechenland-Lösung war zu langsam, die Auflagen für die Hilfspakete sind zu freundlich und zu entgegenkommend. Das erste Hilfspaket ist ja auch gescheitert.

Wollen Sie die Vereinigten Staaten von Europa?

Ja. Die Krise zeigt, dass das Fehlen gemeinsamer Institutionen ein Problem und ein Hindernis ist. Ohne mehr Europa verlieren wir an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den USA, China, Indien, Japan, Russland und Brasilien. Europa wird immer schwächer. Nationales Denken beherrscht die EU.

Die EU-Kommission kritisiert Korruption in Bulgarien. Was tun Sie dagegen?

Wir haben gerade ein umfassendes Gesetz gegen Korruption beschlossen. Wir müssen aber noch mehr tun, um das schlechte Image loszuwerden.

Rechnen Sie mit dem Schengen-Beitritt im Herbst?

Wir haben alle technischen Bedingungen erfüllt. Einzig Rumänien und die nationalistische Partei in den Niederlanden (Partei von Geert Wilders, Anm.) kann den Beitritt aufhalten. Ich hoffe, dass diese nationalistische Partei nach den September-Wahlen nicht mehr der Regierung angehört. In Europa sollten nationalistische Parteien keine Regierungspartner sein. Sie sind gegen die Idee des vereinten Europas. Nationalismus bringt uns nicht weiter.

Simeon Djankov: Ehrgeiziger Ökonom

Geboren am 13. Juli 1970 in Lowetsch, Bulgarien.

Ökonomiestudium; Doktorat, University of Michigan.

Ab 1997 in der Weltbank; Chefökonom für den Finanz- und Privaten Sektor. Autor des Weltentwicklungsberichtes 2002. Gründer der Weltbank-Doing-Business-Serien. Er ist einer der 150 am meisten zitierten Ökonomen der Welt.

2009 Vizepremier und Finanzminister. Architekt des bulgarischen Reformprogrammes.

Verheiratet, zwei Söhne.

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