Zwischen Ölförderung und Klimaschutz: Norwegens schwieriger Spagat
Die Eiskante in der Arktis weicht zunehmend nach Norden. Dies sorgt für große Sorgen um die Klimaveränderung, aber auch für große Möglichkeiten der Ölförderung. Die norwegische Regierung hat kürzlich die 25. Lizenzvergabe für Mineralölfimen eröffnet, die sich hauptsächlich auf das Bohren in der Barentssee bezieht, einem östlichen Teil des Arktischen Meers.
Gleichzeitig läuft jedoch ein Klage vor dem Obersten Gericht in Oslo von Greenpeace und der norwegischen Organisation „Jugend und Umwelt“. Sie sehen das Bohren in der Arktis als verfassungswidrig – und beziehen sich auf den Paragraphen 112, der besagt, das die Bevölkerung „das Recht auf eine gesunde Umwelt“ habe. Konkret wird gegen die 23. Lizenzvergabe von 2015 geklagt. Mit einem Urteil wird zum Jahresende gerechnet.
Dass nun eine weitere Lizenzvergabe eröffnet wird, bevor das Urteil verkündet wird, sorgt für Unmut unter den Umweltschützern, wie auch beim Umweltministerium – „Wir sehen nicht, dass das Klimarisiko bewertet wurde“ so dessen Statement.
Norwegische Ölfirmen können sich bis Februar 2021 für jeweilige Gebiete bei der Regierung bewerben. Diese Gebiete, die in 136 sogenannte „Förderungsblöcke“ unterteilt sind – davon viele nahe der Eiskante – seien nach Angaben des Umweltministeriums zu 60 Prozent besonders ökologisch wertvoll und labil. Seevögel, Robben und Eisbären seien bei einem Ölaustritt besonders gefährdet, auf dem Eis könne die Verschmutzung nur langsam abgebaut werden.
Umstrittene Rentabilität
Die Barentssee, deren Seegrenze 2010 zwischen Russland und Norwegen ausgehandelt wurde, verfügt durch den Einfluss des Golfstroms über eine hohe Biodiversität und große Fischbestände.
Mit der „Goliat-Plattform“ fördert Norwegen dort bereits seit 2016 Öl. Die Rentabilität der nördlichsten Förderanlage im Meer gilt bislang als umstritten.
Vergangene Woche begann hierzu eine Untersuchungskommission im Osloer Parlament ihre Arbeit, die herausfinden will, ob bei der Freigabe der Ölforderung in der Barentsee 2013 nicht etwa vom Energieministerium Fakten unterschlagen worden seien. Linke und grüne Parteien verlangen eine offene Anhörung der aktuellen Öl- und Energieministerin Tina Bru. Die Politikerin der Mitte-Rechtsregierung in Oslo, weist für die aktuelle Lizenzvergabe darauf hin, dass an der Mineralölindustrie 200.000 Arbeitsplätze hängen und dass strenge Umweltauflagen beachtet werden.
Spagat in Sachen Klima
In Sachen Klimapolitik versucht Norwegen seit Jahren ein Spagat – der Energieträger Öl kommt im Land selbst kaum zur Verwendung – dort setzt man auf Wasserkraft, die Hauptstadt ist voller Elektroautos und hat sich ehrgeizige Ziele gesteckt, was das Eingrenzen der CO2-Emmission betrifft. In ganz Norwegen soll der Erwerb von Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2025 verboten werden.
Doch der heutige Wohlstand des Landes, hängt eindeutig mit den Öl- und Erdgasvorkommen in der Nordsee und im Nordmeer zusammen. Seit Ende der Sechziger Jahre fließt das Schwarze Gold; in den Neunzigern wurden Petroleum-Fonds eingerichtet, der derzeit umgerechnet 937 Milliarden Euro enthalten soll und auch ein finanzielles Polster für die Zukunft nach dem Ölzeitalter darstellt.
Doch augenscheinlich beginnt diese Periode für die Regierung unter Erna Solberg noch nicht.
Schließlich stehen auch Konkurrenten an – die USA, Kanada und Dänemark sowie Russland und besonders selbstbewusst China vermelden Ansprüche auf die Schätze der Arktis mit seinem schmelzenden Eisschild. Dazu gehören auch Metalle und seltene Erden. Dabei müssen sich China wie Russland nicht mit Greenpeace auseinandersetzen. Erlend Tellnes, Projektleiter der norwegischen Organisation für Ölangelegenheiten erklärte auf Anfrage, dass Greenpeace auch gegen die 25. Lizenzvergaben gerichtliche vorgehen will: „Wir haben bereits mehr Öl gefunden, als unser Klima vertragen kann.“
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