„Die Situation im Gesundheitswesen ist zum Verzweifeln. Das Personal in den Krankenhäusern im Raum Stockholm ist am Limit und braucht eine Entlastung“, appelliert Björn Eriksson, Direktor für Gesundheit für den Bereich der schwedischen Hauptstadt.
Die Notlage des schwedischen Gesundheitssystems ist so eklatant, dass die von der Pandemie weniger betroffenen Nachbarn Norwegen und Finnland angeboten haben, Personal zu schicken sowie Patienten bei sich aufzunehmen. Dieses von Erisksson begrüßte Angebot wird vom „Socialstyrelsen“, einer Art zweitem Gesundheitsamt mit Verwaltungsaufgaben, zurück gewiesen. Schweden habe genügend Kapazitäten.
Die Realität sieht anders aus. Offizielle Zahlen gibt es nicht, doch sollen 34 von 50 Krankenschwestern auf der Intensivstation des Danderyd-Krankenhauses im Norden Stockholms wegen Überlastung gekündigt haben. Die Hauptstadt ist Hotspot der Covid-19 Fälle und verzeichnete in der vergangenen Woche einen Zuwachs von knapp 4.000 neuen Fällen.
Hilferufe der Kliniken
Auch aus der Region um Göteborg und Schonen nahe Dänemark gibt es Hilferufe der Kliniken. So hat sich in der Infektionsabteilung des Krankenhauses Malmö mit 35 Personen des Pflegepersonals und 11 Ärztinnen und Ärzten die Hälfte der Belegschaft angesteckt, wie der Sender TV4 vermeldet.
Die Krankenhäuser haben erstmals mit 2.382 Corona-Fällen mehr Patienten als am 20. April, als die Epidemie Schwedens Gesundheitswesen am stärksten belastete. Rund 37.000 Bewohner des Landes haben sich in Woche 49 angesteckt, 320.098 Personen wurden seit Beginne der Epidemie infiziert, 7.514 Personen verstarben.
Zu Weihnachten droht ein Kollaps – auch weil der versprochene Weihnachtsurlaub in vielen Krankenhäusern nicht eingehalten werden kann, was zu mehr Kündigungen führen wird, wie Spitalsdirektoren befürchten.
Der zweiten Welle begegnet die rot-grüne Minderheitsregierung nun mit mehren Maßnahmen – so ist seit Ende November die Versammlungsfreiheit auf acht Personen reduziert, Anfang Dezember wurden die Gymnasien geschlossen.
Schweden ist bekannt für seinen Sonderweg – das Gesundheitsamt empfahl der Regierung im Frühjahr, einen Lockdown zu vermeiden; diese ließ Kindergärten, Grund- und Mittelschulen sowie Geschäfte und Restaurants offen. Doch mit den steigenden Zahlen im November wurde der sozialdemokratische Regierungschef Stefan Löfven eigenständiger in seinen Entscheidungen, zwischen ihm und Staatsepidemiologen Anders Tegnell soll es aufgrund falscher Prognosen zu Spannungen gekommen sein.
Geblieben ist, dass die Regierung wie auch die Behörden mehr auf Empfehlungen als auf explizite Verbote setzt. So wurde die Bevölkerung von Gesundheitsamt und Katastrophenschutz am Montag in einem etwas verbindlicheren Ton aufgefordert, soziale Kontakte zu meiden, von zu Hause zu arbeiten und die Kontakte mit älteren Menschen einzuschränken – per SMS, aber ohne weiterführende Links, aus Sorge vor (technischen) Viren.
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