Zehn Chaostage in Washington

Die Ära Scaramucci dauerte gerade zehn Tage - und gibt einen tiefen Einblick in das Chaos im Weißen Haus des Donald Trump.

„A great day in the White House!“, twitterte Donald Trump am Ende des gestrigen Tages. Das war kurz nachdem die US-Nachrichtensender irgendwo zwischen fassungslos und amüsiert die neuesten Entwicklungen aus dem Amtssitz des Präsidenten verkündeten: Anthony Scaramucci, vor zehn Tagen ernannter Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, wurde noch vor dem offiziellen Antritt seines Jobs wieder entlassen und vom Gelände des Weißen Hauses eskortiert.

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Seine Ernennung war der Grund für einen lang erwarteten Abgang aus dem Weißen Haus: Sean Spicer, wegen seiner oft skurrilen Auftritte der vermutlich bekannteste Pressesprecher, den ein Präsident je hatte, trat aus Protest gegen die Ernennung Scaramuccis zurück. Kurz nach seiner Ernennung konnte man erahnen, warum: Da verkündete der Mann mit dem Spitznamen „The Mooch“, er sei keiner, der anderen in den Rücken falle - er sei ein „front stabber“, einer der einem das Messer von vorne hineinramme.

Zu seiner wichtigsten Aufgabe wollte es sich der ehemalige Wall-Street-Banker machen, die Leaker, also jene, die Informationen aus dem Weißen Haus an die Medien weitergeben, zu finden und zu feuern. Als einen dieser Leaker wollte er Reince Priebus, Stabschef im Weißen Haus, ausgemacht haben. „Der Fisch stinkt vom Kopf“, sagte er vergangenen Donnerstag zu CNN. Und: „Vor 150 Jahren wären Leute für solche Leaks gehängt worden.“ Dieses Interview wurde wenig beachtet, weil Scaramucci am Abend zuvor einen Redakteur des New Yorker angerufen hatte und dieses Gespräch alles in den Schatten stellte, das die politische Szene Washingtons bislang gehört hatte.

US-Medien waren mit dem Interview überfordert, weil sie keine obszönen Ausdrücke oder Schimpfwörter wiedergeben und das Interview derer massig enthielt. So viele, dass manche seiner Aussagen ohne dieser kaum mehr zu entschlüsseln waren. „Ich will die verdammten Leaker alle töten“, war da noch das harmloseste. Er sei nicht wie Trumps Berater Steve Bannon, erzählte er da, „ich versuche nicht meinen eigenen Schwanz zu lutschen“. Staatschef Reince Priebus nannte er einen „paranoiden Schizophrenen“ und er kündigte an, dass der seinen Job sowieso bald los sei.

Erstaunlicherweise behielt Scaramucci recht und (noch) seinen Job – während Priebus tatsächlich gehen musste. Stabschefs halten selten eine ganze Amtszeit eines Präsidenten durch, aber so ein schneller Abgang nach einer derartigen Hinrichtung eines ihm eigentlich untergebenen – das hätte die Medien eigentlich für Tage beschäftigt. Würden sich die Schlagzeilen in Trumps Amerika nicht tagtäglich überschlagen.

In den zehn Tages des Scaramucci scheiterte unter anderem ein neuerlicher Anlauf des Versuchs, Obamacare abzuschaffen und Trump sorgte für Aufregung, weil er vor jungen Pfadfindern eine hoch politische Rede hielt und diese mit schlüpfrigen Anmerkungen garnierte. Wie schon so viele Wochen zuvor wurde sie weithin als schlimmste Woche für Trump als Präsident kommentiert.

Der Mann, der das Chaos aufräumen soll, ist Priebus‘ Nachfolger, der bisherige Heimatschutzminister und Vier-Sterne-General John F. Kelly. Dessen erste Amtshandlung: Scaramucci zu beseitigen. Die Ironie ist kaum zu übersehen: Der Nachfolger des Mannes, der von Scaramucci aus dem Amt gemobbt wurde, feuert als allererstes genau diesen. Es ist ein bekanntes Muster im Trump'schen Weißen Haus: Der Präsident hört auf den gerade auserwählten Vertrauten, sei das jetzt Scaramucci oder Kelly, bis der in Ungnade fällt oder von einem neuen Einflüsterer um seinen Job gebracht wird. Es ist ein Schicksal, das genauso gut Kelly blühen könnte. In ein paar Monaten oder übermorgen. Und Trump wird unbeirrt weiter twittern: „A great day in the White House!“

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