Als „Bankier der Armen“ erhielt er 2006 den Friedensnobelpreis – weil er mittellosen Landsleuten, die bei herkömmlichen Banken niemals ein Darlehen bekommen hätten, in den 1980er-Jahren Mikrokredite vermittelte und ihnen so auf die Beine half. Das Erfolgsmodell ging um die Welt.
Jetzt ist Muhammad Yunus, mittlerweile 84 Jahre alt, erneut gefordert: Als interimistischer Regierungschef soll er sein Heimatland Bangladesch nach dem erzwungenen und blutigen Abgang der autoritären und korrupten Langzeitregentin Sheikh Hasina aus dem Chaos führen.
„Seid ruhig und macht euch bereit, das Land aufzubauen. Wenn wir den Weg der Gewalt einschlagen, wird alles zerstört werden“, sagte der studierte Wirtschaftswissenschaftler nach der Übernahme der „Mission Impossible“ Anfang August.
Und weiter: „Lasst uns das Beste aus unserem Sieg machen. Unsere Jugend ist bereit, die Führung zu übernehmen und eine neue Welt zu schaffen.“
Er spielte damit auf den Aufstand der jungen Menschen an, die im Juli auf die Barrikaden stiegen. Der unmittelbare Anlass: Ein als ungerecht empfundenes Quotensystem, das Kindern von früheren Unabhängigkeitskämpfern lukrative Beamtenjob garantierte, während andere leer ausgingen.
Doch bald schon richtete sich der Protest – unter anderem vom 26-jährigen Nahid Islam angeführt – gegen das gesamte verrottete System, das Ministerpräsidentin Sheikh Hasina während ihrer langen Amtszeit (1996-2001 und 2009-2024) etabliert hatte: Die demokratischen Institutionen ließ die heute knapp 77-Jährige abwracken, Wahlen fälschen, Oppositionelle verfolgen.
So auch Muhammad Yunus, gegen den mehr als 100 Strafverfahren eingeleitet worden waren, lediglich ein Mal kam es zur Verurteilung.
Gegen all das gingen im Sommer Millionen Menschen auf die Straße. Der Machtapparat reagierte mit äußerster Härte und Brutalität. Während der Tage des Aufstandes wurden hunderte Demonstranten getötet.
Doch letztendlich wurde der Druck auf die autoritäre Ministerpräsidentin zu groß. Nachdem sie auch die Rückendeckung des Militärs verloren hatte, trat sie die Flucht nach Indien an.
Der betagte Nobelpreisträger steht nun vor der Herkulesaufgabe, den Scherbenhaufen in dem 170-Millionen-Einwohnerland, das deutliche kleiner ist als die drei baltischen Staaten Estland, Lettland, Litauen, zu beseitigen.
Als Erstes leitete Yunus Ermittlungen ein, um das Blutbad während des Umsturzes zu untersuchen, auch soll das Schicksal von Hunderten in den vergangenen 15 Jahren verschwundener Bangladeschis geklärt werden. Die NGO Human Rights Watch spricht von „schwer wiegenden Menschenrechtsverletzungen“.
Der neue Ministerpräsident, der das Übergangskabinett bis zu Neuwahlen führen soll, hat zudem angekündigt, die Situation der aus Myanmar geflüchteten Rohingya zu verbessern.
Eine Million Menschen dieser Minderheit hat seit 2017 in Bangladesch Zuflucht gefunden, nachdem das Militär im Nachbarland gegen diese überwiegend muslimische Bevölkerungsgruppe vorgegangen war. In Bangladesch leben sie unter prekären Umständen, das will der Friedensnobelpreisträger ändern und für humanere Bedingungen sorgen.
Und auch in einem anderen Feld, das gleichsam existenzielle Basis des armen asiatischen Landes ist, wurde der Ökonom bereits aktiv: Er sicherte der Textilindustrie Hilfen zu.
Denn die Ausfuhr der Erzeugnisse der knapp 4.000 Fabriken machen 85 Prozent der jährlichen Exporte bei. Mehr als vier Millionen Menschen sind in der Branche beschäftigt. Nach China ist Bangladesch das wichtigste Importland von Textilien in Europa. Marken wie H&M, Zara oder Hugo Boss lassen dort produzieren.
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