Wilde Ausritte gegen den Westen und ein Göbbels-Zitat: Putins neue Drohungen
Würde er Kiew ein Ultimatum setzen? Mit der Bombardierung der gesamten Energie-Infrastruktur drohen, sollte die Regierung einem Waffenstillstand nicht zustimmen? Würde er den Kriegszustand ausrufen? Im Vorfeld der Rede Wladimir Putins verbreiteten sich wilde Gerüchte über den Inhalt seiner Rede, die er am Freitag im Georgsaal des Kremls hielt. Die gesamte politische und geistliche Führungsriege Russlands war versammelt, auch der tschetschenische Führer, Ramsan Kadyrow, kam, zerstreute damit die Mutmaßungen, er wolle sich gegen Putin auflehnen.
"Für immer"
Die Botschaft war klar: Die russische Elite steht geschlossen hinter dem russischen Präsidenten. Und dieser verkündete wie erwartet die völkerrechtswidrige Annexion der besetzten Gebiete in der Ukraine: „Die Menschen haben ihre Wahl getroffen“, begann Putin mit Blick auf Scheinreferenden, die die russischen Besatzer bis zum vergangenen Dienstag in den vier Gebieten abgehalten hatten. „Die Menschen, die dort leben, werden zu russischen Staatsbürgern. Für immer!“, sagte er und empörte sich einmal mehr darüber, dass mit dem Zerfall der Sowjetunion souveräne Staaten geschaffen wurden. „Das ist nicht mehr wichtig, Russland braucht das nicht mehr. Es gibt nichts Stärkeres als die Entschlossenheit der Menschen, die in ihre Heimat zurückkehren“, tönte Putin und rief die ukrainische Regierung dazu auf, „das Feuer einzustellen und an den Verhandlungsdienst zu kommen“.
Attacken gegen USA
Russland werde die Menschen, die „ihre Wahl“ getroffen hätten, nicht verraten. Dass die Referenden unter dubiosen Umständen stattgefunden hatten, ließ er geflissentlich aus, ritt dafür den überwiegenden Teil seiner 45 Minuten langen Rede Attacken gegen „den Westen“: „Er hat das Prinzip der Unantastbarkeit der Grenzen zerstört. Wer hat dem Westen irgendein Recht dazu gegeben? Der Westen darf die Demokratie nicht selbst definieren“, sagte er und zählte Verbrechen aus der Kolonialzeit und dem Zweiten Weltkrieg auf, ehe er auf die NATO-Osterweitung zu sprechen kam. „Sie wollen, dass wir seelenlose Sklaven werden.“
Über die für seine Truppen schlechte Lage an der Front in der Ukraine (mehr dazu unten) verlor Putin kein Wort, ebenso wenig über die Probleme bei der russischen Teilmobilmachung. Er beschwor seine „verehrten Freunde“: „Wir befinden uns in einem Krieg um die Zukunft unseres Volkes. Die Welt wird nie mehr so sein, wie vor dieser Spezialoperation.“
Für die Lecks in den Nord Stram-Pipelines machte Putin die „Angelsachsen“ verantwortlich: „Sie sind zu Sabotage übergegangen. Unglaublich, aber wahr. Indem sie Explosionen an den internationalen Gas-Leitungen Nord Stream organisiert haben (...), haben sie faktisch mit der Zerstörung der gemeinsamen europäischen Energie-Infrastruktur begonnen“, sagte er. Mit dem Begriff „Angelsachsen“ können im Russischen die US-Amerikaner, die Briten oder beide Nationen zusammengefasst gemeint sein.
Göbbels-Zitat
Russland sei der Widerstand gegen das „neokoloniale System“: „Als sie mit dem Sanktionsblitzkrieg begannen, dachten sie, die ganze Welt würde sich ihnen anschließen. Aber andere Staaten wählen eine Zusammenarbeit mit Russland. Dieser Ungehorsam wurde vom Westen nicht erwartet“, schimpfte Putin gegen die Sanktionen und lieferte ein Göbbels-Zitat: „‘Wenn man eine große Lüge erzählt und sie oft genug wiederholt, dann werden die Leute sie am Ende glauben‘. Man kann aber mit Lügen die Menschen nicht wärmen. Man braucht Energie, Lebensmittel und nicht gedruckte Euros“, ritt er gegen die Sanktionen der EU gegen Russland aus.
Das kolportierte Ultimatum an Kiew stellte Putin nicht, dennoch hat der Ukraine-Krieg mit der Annexion der besetzten Gebiete eine neue Phase der Eskalation erreicht. Ab jetzt wird jede weitere ukrainische Gegenoffensive in der Ukraine vom Kreml als Angriff auf russisches Territorium umgedeutet.
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