Wieder Terroranschlag in Russland: Mehr als ein Dutzend Tote

Einen Tag später sprengt ein Attentäter eine Bombe in einem Bus. Zumindest 14 Menschen sterben.
Der zweite Selbstmordanschlag binnen 24 Stunden: Am Montag in der Früh detonierte wieder eine Bombe in Wolgograd.

In Russland herrscht die Terrorangst: Nur einen Tag nach dem Anschlag am Wolgograder Bahnhof explodierte in der südrussischen Stadt eine weitere Bombe in einem Linienbus. Zumindest 14 Menschen wurden dabei getötet, 28 weitere verletzt - die Opferzahl steigt damit auf 31.

Den Ermittlern zufolge trägt der Vorfall eine ähnliche Handschrift wie die Anschläge vom Sonntag und von Ende Oktober in der Stadt, die nur 700 Kilometer entfernt vom Olympia-Austragungsort Sotschi liegt. "Im Fahrzeug lag ein Sprengsatz", sagte am Montag ein Mitarbeiter des Nationalen Anti-Terror-Komitees NAK - die Unterschungskommission spricht von einem Selbstmordanschlag mit islamistischem Hintergrund.

Zwei Tage des Sterbens

"Den zweiten Tag hintereinander sterben wir. Es ist ein Albtraum", sagte eine Frau mit tränenerstickter Stimme am Ort des Anschlags vom Montag. Der blau-weiße Oberleitungsbus war vollkommen zerstört. Auf der Straße lagen Leichen und Trümmerteile. Die Wucht der Explosion war so gewaltig, dass sogar die Fenster im dritten Stock eines nahegelegenen Wohnhauses zersplitterten. Ein Augenzeuge sagte, die Busfahrerin sei weit aus dem Fahrzeug geschleudert worden. Sie habe aber überlebt.

Zum Zeitpunkt der Explosion sei der Bus der Linie 15, die von einer Plattenbausiedlung in das Stadtzentrum führt, voll besetzt gewesen. "Der Knall war kilometerweit zu hören."

Chronologie des Terrors in Russland

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RUSSIA AIRCRASH
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Russian special forces troops flee a school in the
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RUSSIA SUICIDE BOMBER
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RUSSIA VOLGOGRAD EXPLOSION

Am Sonntag war - sechs Wochen vor Beginn der Olympischen Spiele in Sotschi - am Bahnhof ein Selbstmordattentat verübt worden. Die Spur führt zu Islamisten in den Kaukasus. Mindestens 17 Personen starben, etwa 30 Menschen wurden verletzt. "Wir schließen einen Zusammenhang der beiden Fälle nicht aus", sagte der NAK-Mitarbeiter. Präsident Putin hat zur Untersuchung der Fälle eigens den Chef des Inlandsgeheimdiensts FSB, Aleksandr Bortnikow, nach Wolgograd beordert.

Ein Attentäter hatte am Sonntag eine mit Nägeln und Schrauben gefüllten Bombe inmitten einer Menschenmenge gezündet. Dabei kam auch der Täter selbst ums Leben. Anfangs hatte es noch geheißen, eine Frau habe den Sprengsatz gezündet; sogar ein Bild der vermeintlichen Attentäterin wurde in den Medien gezeigt. Am montag wurde dann verlautbart, es handle sich bei dem Drahtzieher des Anschlags um einen

Die Agentur Interfax verlautbarte einige Stunden nach dem Anschlag den Namen eines Vedächtigen: Es solle sich bei dem Attentäter um einen Mann aus der Republik Mari Elin Zentralrussland handeln. Er sei seit eineinhalb jahren Mitglied einer paramilitärischen islamistischen Untergrundorganisation in Dagestan.

Am Bahnhof warteten wegen der Neujahrsferien besonders viele Menschen an einer Sicherheitsschleuse auf die Kontrolle ihres Gepäcks. Auf den Bildern einer Überwachungskamera war ein großer Feuerball und eine Explosion zu sehen, die das dreistöckige Gebäude erschütterte. Die Gebietsverwaltung von Wolgograd verhängte eine dreitägige Trauer.

Putin vs. Islamisten im Kaukasus

Russlands Präsident Wladimir Putin verurteilte die Tat scharf. Er forderte die Ermittler auf, die Hintermänner der Tat so schnell wie möglich zu enttarnen und zu verhaften, wie ein Kremlsprecher am Abend mitteilte. Zudem reagierte Moskau mit einer Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen - in der Hauptstadt selbst ist derzeit der Rote Platz gesperrt, da man auch dort Anschläge befürchtet.

Der tschetschenische Islamistenführer Doku Umarow hatte im Sommer zu Attentaten aufgerufen, um die Olympischen Spiele zu stören. Wolgograd liegt etwa 700 Kilometer von Sotschi entfernt. Die Islamisten im Kaukasus werfen Putin eine "blutige Besatzungspolitik" im Konfliktgebiet vor. Der Kreml verspricht aber sichere Spiele in Sotschi. Die Veranstaltung gilt als Putins Prestigeprojekt.

Terrorangst in Russland

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RUSSIA TERRORIST ATTACK
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Members of the emergency services work at the site
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Karte Kaukasus, Factbox zu Unruheregionen Grafik 1504-13-Russland.ai, Format 134 x 152 mm
Russland sorgt sich wegen der jüngsten Anschläge im Süden des Riesenreiches. Ende Oktober hatteebenfalls in Wolgograd eine Selbstmordattentäterin in einem Linienbusmit einer Bombe sechs Passagiere und sich selbst getötet. Wie diese Frau könnten auch die Attentäter von Sonntag und Montag aus der Teilrepublik Dagestan im Nordkaukasus stammen, sagte ein Ermittler.

Am Freitagabend hatte die Explosion einer Autobombe vor einer Polizeistation im Kurort Pjatigorsk im Nordkaukasus drei Menschen getötet. In der bergigen Vielvölkerregion Nordkaukasus kommt es immer wieder zu blutigen Gefechten zwischen Kreml-Einheiten und Extremisten.

Der Ort des Anschlags

Vor dem Jahreswechsel und den orthodoxen Weihnachtsfeiertagen war am Bahnhof von Wolgograd großer Betrieb. Mitten im Getümmel dann die Explosion. Am Eingang zu dem Gebäude, wo die Reisenden mit Metalldetektoren durchsucht werden, sprengte sich eine Person in die Luft. Wie es später hieß, anscheinend eine Frau. Mindestens 17 Menschen starben, Dutzende wurden verletzt. Wolgograd liegt 700 Kilometer Luftlinie von Sotschi entfernt, wo kommenden Februar die Olympischen Winterspiele steigen – derzeit des Kremls liebstes Prestigeprojekt.

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Der Anschlag vom Sonntag wirft ein düsteres Licht auf die Spiele, die seit ihrer Vergabe von Sicherheitsbedenken überschattet waren. Sotschi liegt am Rande der notorisch unruhigen Kaukasusregion, und kaukasische Islamisten haben sie offen zum Ziel erklärt. Für die russischen Sicherheitskräfte sind sie eine beispiellose Operation.

Bereits im Oktober hatte sich in Wolgograd eine Frau in einem Bus in die Luft gesprengt und sechs Menschen getötet. Und erst vergangenen Freitag war in der Stadt Pjatigorsk in Südrussland vor einer Polizeistation eine Bombe explodiert. Für den Kreml, der in den vergangenen Wochen so ziemlich alles tat, um der Welt die Spiele in Sotschi schönzureden, kommen diese Nachrichten einer Ohrfeige gleich.

Schon als es um die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2014 ging, war Russlands Präsident Wladimir Putin persönlich zur Endrunde nach Guatemala geflogen, um dort mit seinem ganzen Gewicht zu werben: Für Sotschi, für Mutter Heimat, für den Sieg. Bedenken wegen der instabilen Sicherheitslage im Nordkaukasus und der maroden Infrastruktur fegte er mit Visionen und Ambitionen vom Tisch.

Aber Euphorie wollte sich nicht einstellen. Eher das Gegenteil. Sicherheitsbedenken, Probleme beim Bau von Sportanlagen, Berichte über Landenteignungen und Proteste in Sotschi selbst sollten nur den Auftakt bilden. Ebenso die Niederschlagung der Proteste um Putins dritte Präsidentenwahl.

Gerade in den vergangenen Wochen war der Ruf aus dem Ausland nach einem zumindest politischen Boykott der Spiele laut geworden. Zuletzt war es US-Präsident Barack Obama, der die offen lesbisch lebende ehemalige Tennisspielerin Billie Jean King an die Spitze der US-Delegation für Sotschi setzte – und damit einen unmissverständlichen Kommentar zu Putins Anti-Homosexuellen-Politik setzte. Und überall in europäischen Ministerräten wurde beraten, wie man die Spiele handhaben sollte. Aus Sicht Moskaus ließ das Böses erahnen.

Die Antwort: Liebesgrüße. Eine Charmeoffensive, wie sie Russland unter Putin nie gesehen hat. Erst eine Massenamnestie, die prominente Oppositionelle betraf – die Pussy-Riot-Aktivistinnen – und dann die Begnadigung Chodorkowskis.

Die Schmach tilgen

Putin geht es in Sotschi vor allem darum, die Schmach von 1980 zu tilgen, als die Olympischen Sommerspiele in Moskau vom Westen boykottiert wurde. Sechs Monate zuvor war die Sowjetunion in Afghanistan einmarschiert. Zwar rächte sich der Ostblock vier Jahre später mit Boykott der Spiele in Los Angeles. Doch die USA traf das weniger hart als die Sowjets. Sie standen nicht vor der Aufgabe, die Überlegenheit ihres Gesellschaftsmodells beweisen zu müssen.

Putin wäre zwar nicht am Ende gewesen, hätte er die Spiele nicht nach Sotschi geholt. Liebesentzug wäre ihm dennoch – trotz schaumgebremster Begeisterung der Russen – so sicher gewesen wie das Amen im Gebet. Ein russischer Präsident, noch dazu einer mit Supermacht-Anspruch wie Putin, hat zu siegen. Koste es, was es wolle. Und es kostet viel.

Mit rund 50 Mrd. Dollar – zehn Mal mehr als geplant – sind die Spiele von Sotschi die mit Abstand teuersten der Geschichte. Sie wären es selbst dann, wenn ein Teil der Mittel nicht in dunklen Kanälen versickert wäre. In Sotschi soll jenes „Land der Träume“ konkrete Gestalt annehmen, wie es Putin gerne weichzeichnete: ein Hightech-Russland, eine boomende, zukunftsorientierte Weltmacht frei von Minderwertigkeitskomplexen.

Das Konzept funktioniert nur aus architektonischer Sicht. Putin und seine Polittechnologen denken nach wie vor in Kategorien eines Obrigkeitsstaates mittelalterlicher Prägung, der seine Bürger zu Untertanen degradiert. Russland sei ein Ferrari, der mit angezogenen Bremsen im dritten Gang fährt, höhnen jene, die auf Verbesserungen des Investitionsklimas drängen. Auch dieses Ziel hat Putin in Sotschi um Längen verfehlt. Die Privatwirtschaft fürchtet bereits um ihr Geld: Nach den Spielen könnten viele Objekte leer stehen – vor allem die Hotels, deren Preise selbst für westliche Besucher gewöhnungsbedürftig sind.

Damit hat sich noch ein Ziel erledigt, was auch der Anschlag von Wolgograd vor Augen führt: Nachhaltigkeit, die für eine florierende Tourismusbranche, Jobs und vor allem Stabilität in der gesamten verarmten und notorisch unruhigen Kaukasus-Region sorgen sollte.

Die südrussische Stadt Wolgograd ist eine wichtige Industriemetropole und ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt am Unterlauf der Wolga. Mit mehr als einer Million Einwohner zählt sie zu den 15 größten Städten des Riesenreichs. Im Zweiten Weltkrieg war Stalingrad, wie die Stadt bis 1961 hieß, völlig zerstört worden. Heute erinnert nur noch die Ruine der einst von einem Deutschen gebauten Mühle an die Verwüstungen in der "Heldenstadt".

Nach dem Krieg bauten Architekten das Zentrum im neoklassizistischen Stil wieder auf. Zentraler Gedenkort ist der Mamajew-Hügel, den eine 87 Meter hohe Figur der Mutter Heimat mit erhobenem Schwert überragt. Mehr als 70 Kilometer zieht sich Wolgograd in einem schmalen Streifen am Fluss entlang. Die Sandstrände sind für die Bewohner ein beliebtes Ausflugsziel.

Allerdings ist Wolgograd, das etwa 1.000 Kilometer südlich von Moskau liegt, im Gegensatz zu vielen anderen russischen Großstädten kein Ziel des Massentourismus. Deutsche Partnerstädte Wolgograds sind Köln und Chemnitz. Im Februar 2014 finden im rund 700 Kilometer entfernten Schwarzmeerort Sotschi Olympische Winterspiele statt. 2018 ist dann Wolgograd ein Spielort der Fußball-Weltmeisterschaft. Als berühmteste Bürgerin der Stadt gilt die Stabhochspringerin Jelena Issinbajewa.

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