Der Notstand, der im März des Vorjahres der Nationalregierung die Macht über das ganze Land gab und nur im Sommer kurz unterbrochen war, ist am Sonntag abgelaufen. Damit liegen die Coronamaßnahmen wieder in den Händen der 17 Regionalregierungen.
Diese müssen nun ihre sehr unterschiedlichen 7-Tages-Inzidenzen handhaben. Am vergangenen Freitag variierten diese zwischen 17 in Valencia und 195 im Baskenland. In Madrid lag sie bei 130. Also gibt es auch in der Hauptstadt weiterhin Einschränkungen, offiziell. Zum Beispiel sind Treffen in Gruppen weiterhin auf sechs Personen limitiert und das Tragen der Maske bleibt Pflicht. Die Gastronomie muss um 24 Uhr schließen.
Sonntagfrüh tanzen junge Leute auf den Plätzen der Stadt, Arm in Arm hüpfen sie vor den Kameras auf und ab, in den Brunnen, ohne Masken, mit Bierdosen in der Hand, obwohl das Trinken auf der Straße seit 2002 verboten ist und in Madrid mit einer Strafe von mindestens 500 Euro geahndet wird. Es ist ein Moment in dem scheinbar alle Regeln außer Kraft gesetzt sind, reine Realitätsflucht.
Ayuso, die "Königin der Bars"
Bereits am nächsten Morgen empfiehlt die Gesandte der Nationalregierung, dass Madrid eine erneute Ausgangssperre einführt. Aber das ist das letzte, was die wiedergewählte Regionalpräsidentin Isabel Diaz Ayuso will. Ihre konservative Partei PP hat bereits am Wahltag in der Vorwoche eine eigene Straßenparty veranstaltet. Vor der Parteizentrale im Zentrum der Stadt versammelten sich ihre Wähler und Fans, mit Spanienflaggen und blau, also in der Parteifarbe gekleidet, tanzten sie ausgelassen. „Libertad“ – Freiheit – war das Wahlmotto der Partei und für diesen Begriff steht Siegerin Ayuso nun um so mehr.
Mit knapp 45 Prozent der Stimmen ist die PP die stärkste Kraft und nach Umfragen verdankt sie diesen Erfolg der Person, die sich seit Beginn der Pandemie gegen die Restriktionen gestemmt hat. Ayuso hat den Madrilenen erlaubt, alles zu tun, was sie wollen, wenn sie nur eine Maske tragen. Einkaufen, mit Freunden treffen, ins Kino gehen. Dementsprechend kennen alle Bürger mehrere Menschen, die die Krankheit schon hatten.
Zwei Wochen krank, dann weiterleben, das ist die Grundhaltung vieler Madrilenen Der Respekt vor dem Virus hält sich in Grenzen. Vielleicht ist die Immunisierung deshalb schon höher als in Wien, vielleicht haben die Madrilenen im strengen Lockdown so viel Angst gehabt, dass sie jetzt aufgebraucht ist. Vielleicht verdrängen sie auch einfach, was passiert.
Mit dem Ende des Notstands ist auch das Reisen innerhalb Spaniens wieder möglich. Viele Familien haben sich seit Weihnachten nicht gesehen und werden die neue Freiheit nun ausnutzen. Eine fünfte Infektionswelle bleibt zu befürchten.
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