Wilde Wahl in Madrid: Morddrohungen, Stierkampf und Krach im TV

Wilde Wahl in Madrid: Morddrohungen, Stierkampf und Krach im TV
Bei den Wahlen in der Hauptstadt Madrid prallen Linke und Rechte frontal aufeinander

Mindestens fünf Drohungen sind in den letzten Tagen verschickt worden – und manche haben ihr Ziel, spanische Politiker, auch erreicht. „Du hast unsere Eltern und Großeltern sterben lassen, dafür kriegst du die Todesstrafe“, steht in Druckbuchstaben in dem Brief, adressiert an den Kandidaten der linken Partei Podemos, Pablo Iglesias. Beigelegt waren vier Kugeln.

Auch Minister, die Polizeipräsidentin und die konservative Regionalpräsidentin von Madrid, Isabel Diaz Ayuso, waren Ziele. Die Region erlebt einen völlig wildgewordenen Wahlkampf. Die Wahl am kommenden Dienstag ist eine brutale Konfrontation linker und rechter Parteien.

Streit um Pandemie

Das hängt auch mit den politischen Hintergründen zusammen. Die konservative Regionalpräsidentin, die die Neuwahlen ausgerufen hat, ist seit Monaten Zielscheibe ständiger Polemik wegen ihres Umgangs mit der Corona-Pandemie.

Während andere Teile des Landes harte Maßnahmen umsetzten, ließ sie die Hauptstadt weitgehend offen. Touristen feiern in Bars, Theater, Kinos, selbst Clubs sind geöffnet. Bis 23 Uhr kann man Essen gehen.

Linkes Bündnis

Die Folgen: 96 Prozent der Madrilenen leben in Zonen, deren Infektionszahlen zu den höchsten des Landes gehören. Aus Protest gegen Ayusos lockeren Umgang legte der Chef der linken Podemos, Pablo Iglesias, sein Amt als Vizepräsident in der Nationalregierung nieder.

Seine Partei peilt in Madrid eine Koalition mit den Sozialisten und einer zweiten linken Partei an, um so Ayuso aus dem Amt zu heben. Diese ist im Gegenzug bereit, einen Pakt mit der ultrarechten VOX einzugehen, um an der Macht zu bleiben.

Wilde Wahl in Madrid: Morddrohungen, Stierkampf und Krach im TV

Orientierungslos

Wie so oft in Spanien spaltet auch diese Wahl die Stadt in zwei politische Pole. So bleibt den Madrilenen am Dienstag keine wirkliche Wahl. „Ich will links wählen, aber vielleicht wähle ich auch konservativ“, gesteht Enrique, ein junger Barbesucher, seine politische Orientierungslosigkeit ein: „Mir ist lieber, dass Ayuso die absolute Mehrheit bekommt und nicht mit VOX in eine Koalition geht. Davor habe ich Angst.“

Kampf in den Arbeitervierteln

Die rechte VOX hat ihren Wahlkampf in Vallecas im Süden Madrids begonnen. Dort, wo Iglesias aufgewachsen ist, wo die Arbeiter leben, die traditionell links wählen. VOX orientiert sich politisch an der Strategie des französischen Front National, um den anderen Parteien Stimmen in diesen Vororten abzugraben. Zur politischen Taktik gehört auch die Provokation. Iglesias wird von VOX-Kandidaten ständig als „Ratte“ bezeichnet. Die lokale Kandidatin der Rechten zweifelte öffentlich an den Morddrohungen gegen Iglesias.

Warnung vor Kommunismus

Der verließ daraufhin wütend eine TV-Debatte. Die Kandidatin der zweiten Linkspartei und der Vertreter der Sozialisten folgten. Ayuso war der Runde ohnehin ferngeblieben. Sie warnt lieber vor Sozialismus und Kommunismus. Dass Ayuso am Sonntag den ersten Stierkampf in Madrid seit 2019 genehmigt hat, gilt als letzte populistische Geste im Wahlkampf. Am meisten gepunktet aber hat sie mit dem Öffnen der Bars. Dort gibt es derzeit Bierflaschen mit ihrem Porträt. Das zieht. Umfragen sagen Ayuso 40 Prozent voraus.

Maren Häußermann, Madrid

 

 

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