Für ihn war der Wahltag am Dienstag in der Hauptstadt die wohl größte Niederlage. Dass die Konservativen der PP in der Region Madrid – wie schon seit mehr als zwei Jahrzehnten – den Sieg davontragen würden, war absehbar gewesen.
Doch nicht nur Sánchez, Spaniens gesamte Linke hatte seit Wochen klargemacht, dass es diesmal nicht nur
um eine Lokalwahl ging, sondern um eine Richtungsentscheidung für ganz Spanien. Vize-Regierungschef Pablo Iglesias, Chef der Linkspartei Podemos, die mit Sánchez’ Sozialisten der PSOE in Koalition regiert, hatte sogar das Regierungskabinett verlassen, nur um in Madrid gegen die „Faschisten“ zu kämpfen.
Nachdem Podemos am Dienstag ebenfalls weit unter den von Iglesias hoch gehängten Erwartungen blieb, trat dieser sofort zurück und kündigte an, die Politik zu verlassen. Die Sozialisten selbst stürzten gleich auf 16 Prozent der Stimmen ab. Einziger Profiteur im linken Lager ist eine Abspaltung von Podemos namens „Mas Madrid“, die jetzt mit der PSOE gleichauf liegt.
Doch es ist nicht nur die Erschütterung in seiner Regierung, die Sánchez nachhaltig in Schwierigkeiten bringt. Es ist der politische Stil seiner neuen Gegnerin Ayuso. Die ehemalige Journalistin hat Madrid in der Corona-Pandemie zum Gegenpol zur ebenso unentschlossenen wie für viele oft unnötig harten Politik der Regierung gemacht.
Öffentliches Leben
Nachdem über Monate den Spaniern sogar das Spazierengehen weitgehend verboten war, machte sich Ayuso zur Vorkämpferin für die Rückkehr persönlicher Freiheiten – und Madrid wurde ihr Vorführmodell für diese Freiheiten. Seit Wochen sind in der Hauptstadt Bars und Restaurants wieder geöffnet, lebt auch die Kulturszene wieder. Die Stadt, in der das öffentliche Leben zwischen Café und Tapas-Bar einen Stellenwert hat wie kaum anderswo in Europa, erwachte zum Leben. Und während man anderswo in Spanien neidvoll auf die Hauptstadt blickte, zog die auch noch Touristen aus dem Ausland an, die endlich wieder ausgehen wollten.
"Freiheit" als Parole
Die „Freiheit“ machte Ayuso zu ihrer Parole. Rund um diese Freiheit bastelte sie die Idee einer neuen konservativen Politik. Die hatte zwar wenig Konkretes, aber dafür ein ansprechendes Lebensgefühl anzubieten. Dazu gehört auch eine ordentliche Portion spanisches Selbstbewusstsein: Ihr letzter Auftritt im Wahlkampf fand bei einem Stierkampf statt, dem ersten in Madrid seit Ausbruch der Pandemie. Ein klares Signal an die von den Anfeindungen der Separatisten in Katalonien ermüdeten konservativen Spanier.
Damit aber nahm Ayuso auch der Rechtsaußen-Partei Vox den Wind aus den Segeln. Vox, die sich als Verteidiger der Einheit Spaniens präsentieren, schnitten bei den Madrid-Wahlen gerade einmal respektabel ab und unterstützen jetzt kleinlaut Ayusos Regionalregierung.
Doch wie lange die ihre politischen Ambitionen auf die Region beschränkt, bleibt abzuwarten. Für ihre Partei PP, die seit Jahren an Korruptionsaffären und chronischer Erfolglosigkeit leidet, verkörpert sie eine Trendwende. Und das weiß Ayuso: Das „neue Kapitel in der Geschichte Spaniens“, von dem sie oft spricht, hat mit ihr schon eine Hauptfigur.
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