Wieso es immer wieder ins britische Parlament tropft
Vergangene Woche floss Wasser durch die Glasdecke des Portcullis House, einem Zubau des Parlaments. Es war nicht das erste Mal. Denn der Sitz der britischen Demokratie zerbröselt. Buchstäblich.
aus London ANNA-MARIA BauerNormalerweise ist der Lärm, das erste, das auffällt. Erboste Zwischenrufe, tief brummende Zustimmungen oder mokierendes Gelächter. Vor allem an einem Mittwoch, wenn im House of Commons die berühmten „Prime Minister’s Questions“ stattfinden; der Tag an dem auch der KURIER das Parlament besucht. Und so summt und vibriert der Saal auch, als die Berichterstatterin den Grand Committee Room mit der dunklen Holzvertäfelungen und den grünen Ledersitzen betritt.
Von der erhöhten Presse-Galerie aus hat man Premierminister Rishi Sunak gut im Blick, als er sich energisch erhebt und seinem Gegenspieler Labour-Leader Keir Starmer entgegnet. Sein Unterarm ruht auf einem geöffneten roten Ringbinder, in dem er laut Insidern detailliert Antworten auf alle möglichen Themen der Parlamentsabgeordneten vorab zusammenträgt. Er möchte auf alle eventuellen Fragen vorbereitet sein, heißt es.
Eimer und Decken
Vor einem Jahr, am 11. Juli 2022, war der Fokus nicht auf aufwühlenden Fragen, sondern auf austretendem Wasser: Das Parlamentsdach hatte ein Leck. Eine Stunde wurden Tische hektisch abgedeckt und Eimer um die grünen Bänke gestellt, um das herabfallende Wasser aufzufangen, bevor der Betrieb endlich beginnen konnte, schrieb Politico damals. Nigel Evans, stellvertretende Sprecher des Unterhauses, kommentierte damals scherzhaft: „Jemand hat mir gerade gesagt, dass dies ein Leck ist, für das wir keine Untersuchung brauchen.“ Doch wer weiß, ob das so bleibt.
Exakt ein Jahr später, vergangenen Dienstag, am 11. Juli 2023, trat einmal mehr Wasser in ein Parlamentsgebäude ein. „Ich saß gerade hier und hörte plötzlich diesen riesigen Knall, und dann war da eine Flut an Wasser“, erzählt Mervyn Thomas, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bischofs von Guildford, dem Daily Mirror. Mit dem Hier meinte er das 275-Million-Euro teure Portcullis House, ein 2001 eröffnete Zubau des Parlaments.
Dieses Gebäude befindet sich zwar auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Bridge Street, ist aber durch einen Tunnel und Rolltreppen mit dem Palace of Westminster verbunden. Fotos aus Social Media zeigen überraschte Abgeordnete auf Ledercouches, den Blick gegen Himmel, während Wasser durch die gläserne Decke sprüht. Das Loch beschreibt der Mirror, sei so groß wie ein Cricketball, und auf dem Boden darunter waren Glassplitter zu sehen. Parlamentsmitarbeiter räumten den Bereich, während der Schaden begutachtet wurde, und baten Hunderte von Mitarbeitern, Abgeordneten und Journalisten, weiterzugehen.
Sie sei wirklich nicht überrascht, schrieb dazu eine Journalistin auf Twitter. Als sie vor ein paar Jahren im Portcullis House arbeitete, hatte sie mit verunreinigtem Wasser, Lecks, Wassereinbrüchen in Büros, Mäusen und Heizungsproblemen zu tun. Bereits 2018, nur 17 Jahre nach der Eröffnung, wurde über 117 Millionen Euro für eine notwendige Renovierung des Dachs diskutiert.
Lecks sind in Westminster längst zum geflügelten Wort geworden und meinen nicht mehr nur das Durchsickern von Informationen, sondern auch den Zerfall des Gebäudes. Während der Elizabeth Tower, in dem sich Big Ben befindet, gerade erst seine fünfjährige Verkleidung verloren hat und das polierte Gold nun mit der Themse um die Wette glitzert, ist der Palast, dessen älteste Bausteine auf das Jahr 1097 zurückgehen, einsturzgefährdet.
„Ich saß gerade hier und hörte plötzlich diesen riesigen Knall, und dann war da eine Flut an Wasser“,
von Mervyn Thomas
Der wissenschaftliche Mitarbeiter des Bischofs von Guildford saß gerade im Portcullis House und erzählte es später der Daily Mail
Mit dem Hier meinte er das 275-Million-Euro teure Portcullis House, ein 2001 eröffnete Zubau des Parlaments.
Dieses Gebäude befindet sich zwar auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Bridge Street, ist aber durch einen Tunnel und Rolltreppen mit dem Palace of Westminster verbunden. Fotos aus Social Media zeigen überraschte Abgeordnete auf Ledercouches, den Blick gegen Himmel, während Wasser durch die gläserne Decke sprüht. Das Loch beschreibt der Mirror, sei so groß wie ein Cricketball, und auf dem Boden darunter waren Glassplitter zu sehen. Parlamentsmitarbeiter räumten den Bereich, während der Schaden begutachtet wurde, und baten Hunderte von Mitarbeitern, Abgeordneten und Journalisten, weiterzugehen.
Dachrenovierung nach 8 Jahren
Sie sei wirklich nicht überrascht, schrieb dazu eine Journalistin auf Twitter. Als sie vor ein paar Jahren im Portcullis House arbeitete, hatte sie mit verunreinigtem Wasser, Lecks, Wassereinbrüchen in Büros, Mäusen und Heizungsproblemen zu tun. Bereits 2018, nur 17 Jahre nach der Eröffnung, wurde über 117 Millionen Euro für eine notwendige Renovierung des Dachs diskutiert.
Lecks sind in Westminster längst zum geflügelten Wort geworden und meinen nicht mehr nur das Durchsickern von Informationen, sondern auch den Zerfall des Gebäudes. Während der Elizabeth Tower, in dem sich Big Ben befindet, gerade erst seine fünfjährige Verkleidung verloren hat und das polierte Gold nun mit der Themse um die Wette glitzert, ist der Palast, dessen älteste Bausteine auf das Jahr 1097 zurückgehen, einsturzgefährdet.
Bröckelnde Statuen
Die Liste der Probleme ist lang: 2018 fiel von einer Engelsstatue am Victoria Tower ein fußballgroßer Steinbrocken in Black Rods Garten und führte zu einer vorübergehende Sperre der Anlage; verletzt wurde zum Glück niemand. 44 Mal sind im letzten Jahrzehnt laut Politico kleine Feuer ausgebrochen. Und 2.500 Stellen sind mit Asbest durchzogen. Als Arbeiter vor zwei Jahren versuchten, das Speakers House vor einem Brand zu schützen, wurden sie möglicherweise krebserregenden Stoffen ausgesetzt. Außerdem gibt es Hunderte von Kilometern rostiger Rohrleitungen, veraltete Strom- und Gasleitungen und die riesige, ineffiziente viktorianische Dampfheizung. All das müsste ersetzt werden .
Als der KURIER sich den Weg von der prunkvollen Westminster Hall – in der eine Plakette im Boden darauf verweist, dass Königin Elizabeth II hier aufgebahrt war – über die Central Lobby in die Korridore des House of Commons bahnt, werden immer wieder Baugerüste und Leitern sichtbar; durchs Fenster im Innenhof oder im Liftaufgang.
Dringend notwendige Renovierungsarbeiten, etwa am lecken Dach, werden bereits durchgeführt. Doch die große Renovierung – obwohl eine eigens eingerichtete Webseite des Projekts „Restoration and Renewal“ auf die Dringlichkeit hinweist – lässt weiter auf sich warten.
Denn unter den Politikern herrscht Uneinigkeit, wie das umgesetzt werden soll: Bei kompletter Entleerung, dem sogenannten „full decant“, könnte die Renovierung in 28 Jahren abgeschlossen sein und zwischen 8 und 15 Milliarden Euro kosten. Doch viele Angeordnete bevorzugen einen Umbau bei laufendem Betrieb. Das könnte auf 26 Milliarden Euro kommen – und bis zu 76 Jahre dauern.
34 Hektar bzw. die Größe von mehr als 1.000 Häuser teilen dasselbe Wasser, Elektrik, Kanal- und Gassystem.
100 Stiegen führen auf insgesamt 65 verschiedene Level
1.6 Millionen Euro kostet alleine die Instandhaltung des Gebäudes.
2.500 Orte mit Asbest sind identifiziert worden. Selbst ein Team von 300 Menschen wird Jahre brauchen, um den Asbest zu entfernen
24 Stunden am Tag wird die Feuersicherheit überprüft
1 Stück eines steinernen Engel fiel 2018 vom Victoria Tower und landete in Black Rods Garten. Niemand wurde verletzt.
Dampfleitungen verlaufen neben elektrischen Kabeln, und die Abwasserspritzanlagen stammen aus dem Jahr 1888.
4.00 bronzene Fenster müssen ersetzt werden.
Die Unschlüssigkeit hat jedoch ihren Preis. Im Mai warnte Meg Hillier, Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses, in der Zeitschrift i: Wenn Beamte und Abgeordnete nicht aufhören, die Verantwortung für die Restaurierungsarbeiten weiterzureichen, könnte das Parlament wie die Kathedrale von Notre Dame durch ein Feuer zerstört werden,
Und dennoch hat der Grand Committee Room beim Besuch nichts von seinem Grandeur eingebüßt. Beeindruckt lauscht man den scharf formulierten Argumenten der Parlamentarier, lässt den Blick über die feine Holzgravur schweifen, kann den vergoldeten Streitkolben am Tisch zwischen den Parteien ausmachen, ohne den nicht getagt werden darf. Und für die 30 Minuten der Fragestunde, in denen man hier Platz genommen hat, kann man sich nicht vorstellen, dass dieses Gebäude nicht für die Ewigkeit gebaut ist.
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