"Skandal": Albaniens Ministerpräsident attackiert deutschen Gesundheitsminister

"Skandal": Albaniens Ministerpräsident attackiert deutschen Gesundheitsminister
Wieder Warnung vor Migrantentrips in die alte Heimat: Spahn erntete viel Kritik. Im Vorjahr hatte Österreichs Kanzler Kurz darauf hingewiesen.

„Das Virus kommt mit dem Auto nach Österreich.“ Mit diesem Sager, der sich Mitte August des Vorjahres wie ein Lauffeuer in den sozialen Medien verbreitete, wies Kanzler Sebastian Kurz auf die steigende Corona-Gefahr in den Ländern des Westbalkans hin (samt Reisewarnung für Kroatien). Adressaten waren einerseits Urlauber, die in der Region entspannten, aber auch Migranten, die ihre Familien in der alten Heimat besuchten. Auf dem Höhepunkt der Pandemie hierzulande erneuerte der ÖVP-Chef Anfang Dezember seine Vorwürfe an „Reiserückkehrer, die in ihren Herkunftsländern den Sommer verbracht haben“ und so „Ansteckungen wieder ins Land hereingeschleppt“ hätten. Dafür musste Kurz Kritik einstecken.

"Skandal": Albaniens Ministerpräsident attackiert deutschen Gesundheitsminister

Dasselbe widerfährt nun auch dem deutschen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der nun ebenfalls von Familientrips von Migranten warnte: „Wir haben aus dem vergangenen Sommer gelernt. Damals haben die Auslandsreisen, häufig Verwandtschaftsbesuche in der Türkei und auf dem Balkan, phasenweise rund 50 Prozent der Neuinfektionen bei uns ausgelöst. Das müssen wir heuer verhindern“, sagte er der Bild am Sonntag. Die Kritik an ihm: Ausländer-Bashing, um vom eigenen Versagen abzulenken.

Doch auch von prominenter Stelle kam am Dienstag heftige Kritik am deutschen Gesundheitsminister. Der kürzlich wiedergewählte albanische Ministerpräsident reagierte schwer empört. „Es ist ein Skandal, dass ein deutscher Minister den Balkan öffentlich anprangert und damit auch Menschen mit Migrationshintergrund abwertet“, sagte Edi Rama am Dienstag der Bild-Zeitung. Vielmehr solle Spahn sich darum kümmern, die deutsche Bevölkerung zu impfen, und keine "stereotypen Ressentiments gegen den Balkan" beschwören, um eine "offensichtlich schlechte Bilanz zu verteidigen", kritisierte Rama. "Ich werde nicht zulassen, dass Albanien als Risikobereich für Urlaubsreisen dargestellt wird, es gibt keine Zahlen, die dies belegen."

Der stellvertretende Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Serhat Ulusoy, schlägt in dieselbe Kerbe. Spahn stelle "ganze Bevölkerungsgruppen unter Generalverdacht" und öffne "Stigmatisierungen Tür und Tor".

Albanian PM and leader of the Socialist Party Edi Rama celebrates party's election victory, in Tirana

Albaniens Ministerpräsident Edi Rama

Kein klares Bild

Für Österreich jedenfalls gibt es kein klares Bild, was die Betroffenheit von Migranten in der Corona-Krise anbelangt. Zum einen sagt die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger mit Verweis auf eine OECD-Studie, dass Migranten einem doppelt so hohen Infektionsrisiko ausgesetzt seien. Gründe dafür (u. a.): Beengte Wohnverhältnisse, weniger Möglichkeit der Telearbeit, Sprachbarrieren. Umgekehrt hatten im Jänner/Februar nur 11,7 % der Intensivpatienten nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, ihr Gesamtanteil liegt aber bei 17,1 %.

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