Wie Erdoğan und Davutoglu zu Feinden wurden
Nächster Schlag für Erdoğan: Der ehemalige türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu trat am Freitag aus der Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan aus, will – wie bereits seit Monaten vermutet wird – gar eine eigene Partei gründen.
„Es ist eine historische Verantwortung als auch eine Notwendigkeit, eine neue politische Bewegung aufzubauen und einen neuen Weg einzuschlagen“, gab sich Davutoglu kämpferisch. Er lade jeden zur Zusammenarbeit ein, „dessen Herz für die Zukunft dieses Land schlägt und Verantwortung verspürt“.
Davutoglu präsentierte sich gemeinsam mit den ehemaligen AKP-Abgeordneten Selcuk Özdag, Abdullah Basci und Ayhan Sefer Üstün, die ebenfalls aus der Partei austraten. Ihre Entscheidung fiel inmitten von Zerfallserscheinungen in der mächtigsten Partei des Landes.
Zwischen Davutoglu und Erdoğan kriselt es seit Jahren: 2016 – knapp vor dem gescheiterten Putschversuch, trat Davutoglu als Premierminister zurück. Die Gräben zwischen Premier und Präsident waren zu tief geworden, beide wollten ihre Vertrauten in höhere Ämter hieven, doch letztendlich saß Erdoğan am längeren Hebel. Diese Gräben haben sich seither vertieft – nicht zuletzt wegen der Säuberungsaktionen Erdoğans nach dem misslungenen Putsch. Immer mehr hochrangige AKPler äußerten ihren Unmut, parteiintern begann es zu brodeln.
Im Juli war bereits der ehemalige Vize-Ministerpräsident Ali Babacan aus der Partei ausgetreten. In den vergangenen Jahren hätten sich Differenzen aufgetan zwischen den Grundsätzen, an die er glaube, und dem Vorgehen der AKP, schrieb Babacan damals zur Begründung. Auch er soll eine neue Partei ins Leben rufen wollen.
Istanbul verloren
Davutoglu hatte der AKP zuletzt mehrfach vorgeworfen, sich von ihren Grundprinzipien zu entfernen. Etwa die Annullierung der Istanbuler Bürgermeisterwahl im März war ihm ein Dorn im Auge. Die AKP hatte die Wahl damals verloren, die Regierungsspitze setzte sich jedoch über das Ergebnis hinweg und verkündete eine Wiederholung. Bei dieser gewann erneut der Oppositionskandidat Ekrem Imamoglu von der kemalistischen CHP.
Mit ihrer Entscheidung kamen die vier AKP-Politiker einem Parteiausschlussverfahren zuvor, das der AKP-Vorstand unter der Leitung von Erdoğan Anfang September einstimmig beschlossen hatte.
Druck auf Erdoğan steigt
Erdoğan steht im Land gehörig unter Druck, vor allem die 3,6 Millionen Flüchtlinge aus Syrien werden von der Bevölkerung immer weniger toleriert. Als der Flüchtlingspakt mit der EU zustande gekommen war, hatte der Präsident noch die „islamische Solidarität“ beschworen, doch die immer schlechter werdende Wirtschaftssituation im Land führt zu immer mehr Ressentiments der Türken gegen Flüchtlinge.
Erdoğan selbst versucht sich zwischen Drohungen an die EU, den Flüchtlingspakt zu beenden, und Drohungen gegen die Kurden in Nordsyrien, dort wieder einzufallen. Beides scheint nicht mehr so glaubwürdig wie noch vor wenigen Jahren.
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