Wenn Kräuter und Gebete nicht mehr helfen

Wenn Kräuter und Gebete nicht mehr helfen
Madagaskar und Tansania versuchten, das Virus auf andere Art und Weise zu besiegen – mit wenig Erfolg.

Er wollte den Lauf der Geschichte verändern, der Welt seinen Stempel als Retter aufdrücken: Andry Rajoelina, Regierungschef Madagaskars, pries von einem Jahr das Naturheilmittel „Covid Organics“, ein Kräutertrunk auf Basis der Artemisia-Pflanze, als die Superwaffe gegen Covid.

Entgegen der Skepsis vonseiten der WHO belieferte Madagaskar halb Afrika, versorgte gar Haiti mit „Covid Organics“. Tatsächlich ist Artemisinin, der Wirkstoff aus der in Österreich als einjähriger Beifuß bekannten Pflanze, ein alter Bekannter in der Pflanzenheilkunde. Seit 20 Jahren wird der Wirkstoff etwa gegen Malaria eingesetzt. Doch nach wie vor ist eine Wirksamkeit des Mittels nicht bestätigt. Derzeit laufen etwa in Mexiko Studien, doch klar ist: Die Infektionszahlen steigen auch in Madagaskar.

So stark, dass die Regierung einen Kursschwenk vollzog: Selbst wenn Andry Rajoelina nach wie vor bei Auftritten demonstrativ einen Schluck aus seiner „Covid Organics“-Flasche nimmt, sein Land hat sich Mitte März – als eines der Letzten – der internationalen Covax-Initiative angeschlossen und hofft darauf, dass die Impfstoffe bald eintreffen werden.

Angesichts der beunruhigenden Nachrichten aus dem nahe gelegenen Tansania ein Schritt zur rechten Zeit. In dem Staat, der Corona offiziell für besiegt erklärt hatte, entdeckte die panafrikanische Gesundheitsbehörde (CDC) eine neue Viren-Variante: Sie weise bis zu 40 Mutationen auf, sagte CDC-Chef John Nkengasong vergangene Woche.

Dass Viren sich verändern, ist normal. Problematisch wird es, wenn sich durch die Mutationen die Eigenschaften des Virus verändern, der Erreger also leichter verbreitet wird, der Krankheitsverlauf schwerer wird oder Impfstoffe nicht mehr wirken. Die neue Variante wird nun in einem Labor in Südafrika untersucht. Das ostafrikanische Tansania hat seit Mitte vergangenen Jahres keine Daten über Covid mehr herausgegeben. Auch aktuell gebe es keine Informationen zur genauen Anzahl der Fälle dort, erklärt die CDC.

Die Regierung versuchte seit Beginn der Pandemie die Gefahr herunterzuspielen und erklärte im Juni vergangenen Jahres nach einem dreitägigen Staatsgebet, dass das Land nun coronafrei sei. Die Menschen sollten nur beten und der lokalen Medizin vertrauen, riet Präsident John Magufuli seinen Bürgern.

Auch Impfstoffe aus dem Westen seien komplett nutzlos, Masken würden nichts bringen und Lockdown-Maßnahmen seien ebenfalls nicht notwendig. Im Fernsehen war die Gesundheitsministerin zu sehen, wie sie aus Früchten einen „Anti-Corona-Trank“ herstellte. Im März starb Magufuli – wahrscheinlich an Covid. Noch ist nicht bekannt, ob seine Nachfolgerin und erste afrikanische Präsidentin, Samia Suluhu Hassan, seinen Weg fortführt oder Maßnahmen gegen das Virus erlässt. Die Zeit würde für Letzteres sprechen: Schon bald soll Afrika seine Impfstoffe selbst produzieren. Grundlage dafür ist ein Abkommen der Afrikanischen Union mit dem US-Pharmakonzern Johnson & Johnson für insgesamt 400 Millionen Dosen.

Ein Großteil davon soll in Südafrika hergestellt werden. Und auch von russischer und chinesischer Seite werden in den kommenden Monaten Impfstoff-Fabriken in Afrika errichtet. Zu diesem Zeitpunkt wird sich auch weisen, ob „Covid Organics“ nicht vielleicht doch gegen das Virus hilft.

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