Weniger als die Hälfte hat gewählt: Iran vor unklarer Zukunft

Khamenei protege Raisi wins Iran election amid low turnout
Der glanzlose Wahlsieg des Hardliners Ebrahim Raisi könnte eine Verschärfung des Tons gegenüber Israel bringen. Wirtschaftliche Probleme erfordern allerdings Zugeständnisse im Atomkonflikt.

Ebrahim Raisi hat seine Wahl zum neuen iranischen Präsidenten Donald Trump zu verdanken. Das ist eine steile These - und doch wird sie immer wieder von Experten in Teheran bemüht. Trumps Ausstieg aus dem Wiener Atomabkommen im Jahr 2018 und neue US-Sanktionen haben den Iran in eine schwere Krise gestürzt und alle Reformkräfte im Land geschwächt. Davon hätten dann vor allem die Hardliner profitiert, sagt ein Politikwissenschaftler.

Zunächst gewannen sie vergangenes Jahr die Parlamentswahl - in Raisi bekommen sie nun auch den gewünschten Präsidenten. Der 60 Jahre alte Justizchef erhielt bei der Abstimmung am Freitag mehr als 60 Prozent der abgegebenen Stimmen und siegte damit deutlich. Eine Überraschung war das nicht mehr: Raisi war der Spitzenkandidat der Hardliner, Wunschkandidat der politischen Eliten - und nach einer strengen Auslese der Kandidaten durch den sogenannten Wächterrat, der als Wahlgremium fungierte, quasi konkurrenzlos.

Die Iraner quittierten diese Ausgangslage mit Desinteresse an der Abstimmung, nach der Wahl folgte Gleichgültigkeit für das Ergebnis. Weniger als 50 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab - ein negativer Rekord bei Präsidentenwahlen im Iran. An einer inszenierten und undemokratischen Wahl wollten viele offenbar nicht teilnehmen.

Die entscheidende Frage nach der Wahl ist nun: Wie geht es weiter mit dem Wiener Atomabkommen von 2015, das die nuklearen Aktivitäten des Iran einschränken sollte? Und wie mit der von Sanktionen schwer belasteten iranischen Wirtschaft? Raisi und die Hardliner waren bisher nicht nur gegen das Abkommen an sich, sondern auch gegen Verhandlungen mit den USA. Doch Raisis Wahlversprechen von einem schnellen Ende der Wirtschaftskrise ist ohne den Atomdeal und ohne die Aufhebung der US-Sanktionen nicht machbar. "Das Problem im Land ist die Wirtschaft, die Lösung aber die Revision der Außenpolitik", sagt der Reformaktivist Abbas Abdi.

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Über die Rettung des Atomdeals wird derzeit in Wien verhandelt. Nach dem Ausstieg der USA 2018 hielt sich der Iran zunehmend nicht mehr an die Vereinbarungen des Abkommens und reicherte wieder mehr Uran an. Vor allem Deutschland, Frankreich und Großbritannien betonten immer wieder, dass sie das Abkommen retten wollen. Die Wiederaufnahme der Verhandlungen in Wien kann als erste Annäherung verstanden werden, der Weg bis zu einer Stabilisierung des Deals ist aber lang.

Atomabkommen Top-Priorität

Raisi hat seinen Standpunkt inzwischen etwas angepasst und will mit den USA reden. "Ich will den Knoten lösen", sagte er. Die Zukunft des Atomabkommens steht daher auch ganz oben auf der Agenda nach seinem Amtsantritt, die Vereidigung ist für August vorgesehen. Interessant wird dann, wer Außenminister und wer Atomchefunterhändler wird. Die beiden müssen die Verhandlungen führen. Raisi selbst ist mit US-Sanktionen belegt - es ist nicht auszuschließen, dass die USA gar nicht zu Verhandlungen mit ihm bereit sind.

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In der iranischen Nahostpolitik wird mit Raisi nach Einschätzung von Beobachtern wohl der Gesprächston mit Israel radikaler werden. Auch ein militärischer Konflikt mit dem Erzfeind wird nicht ausgeschlossen. Die Sorgen der USA und des Westens über das iranische Raketenprogramm wird er voraussichtlich ignorieren.

Innenpolitisch war übrigens nicht die Corona-Pandemie das wichtigste Wahlkampfthema, sondern das Internet. Seit dem Pandemiebeginn vor 16 Monaten verdienen viele Iraner ihr Geld online. Eine Einschränkung würde ihre Existenz ernsthaft bedrohen. "Mein Geschäft läuft komplett über Instagram. Wenn die Webseite geschlossen wird, wäre ich bankrott", sagt etwa die junge Schmuckdesignerin Atefeh. Auch viele Raisi-Anhänger befürchten, dass der neue Präsident auf Drängen der Hardliner den Internetzugang noch weiter einschränken wird. Im Wahlkampf versprach Raisi, dies nicht zu tun. "Was vor der Wahl versprochen, wird hier nach der Wahl meistens gebrochen", meint Atefeh.

(von Farshid Motahari, dpa)

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