Weitere Vorwürfe in Ermittlungen gegen EU-Grenzschutzbehörde Frontex

Weitere Vorwürfe in Ermittlungen gegen EU-Grenzschutzbehörde Frontex
"Spiegel": Untersuchung zu möglichem Betrugsfall mit polnischem IT-Unternehmen

Im Zuge der Ermittlungen gegen die EU-Grenzschutzbehörde Frontex wegen der angeblichen illegalen Zurückweisung von Flüchtlingen sind weitere Vorwürfe aufgetaucht. Wie der "Spiegel" am Freitag berichtet, ermittelt die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF auch zu einem möglichen Betrugsfall im Zusammenhang mit einem polnischen IT-Unternehmen, der nicht umgehend gemeldet worden sein soll. Frontex wollte sich auf AFP-Anfrage nicht zu diesem Vorwurf äußern.

OLAF hatte Mitte Jänner bestätigt, Ermittlungen gegen Frontex eingeleitet zu haben. Hintergrund waren Medienberichte vom Oktober über die angebliche Verwicklung in die illegalen Zurückweisungen von Migranten durch die griechische Küstenwache. Frontex-Beamte waren demnach seit April nachweislich bei mindestens sechs sogenannten Pushbacks in der Ägäis in der Nähe gewesen. Teils gibt es zu den Vorfällen Videos.

Schon im Jänner hatte es aus EU-Kreisen geheißen, die OLAF-Ermittlungen erstreckten sich auch auf weitere mögliche Fälle von Fehlverhalten und auf Berichte über Schikanen innerhalb der Behörde. Nach dem "Spiegel"-Bericht prüft OLAF, ob Frontex-Chef Fabrice Leggeri oder sein Kabinettschef Mitarbeiter angeschrien oder schikaniert haben.

Bei dem möglichen Betrugsfall habe die polnische IT-Firma Frontex Business-Software verkauft, berichtete das Magazin weiter. Frontex-Mitarbeiter bemängelten demnach bei ihren Vorgesetzten, dass diese unzureichend funktionierte. Die Behörde habe trotzdem einen großen Teil der vereinbarten Summe gezahlt. Mitarbeiter hätten nach internen Dokumenten darauf hingewiesen, dass die Unregelmäßigkeiten einen Betrugsfall darstellen könnten.

Den Angaben zufolge erfuhr auch Frontex-Chef Leggeri von dem Fall, der aber nicht umgehend OLAF gemeldet worden sein soll. Leggeri steht bereits seit Wochen wegen der Pushback-Vorwürfe massiv unter Druck. Im französischen Radiosender Europe 1 am Freitagmorgen wies er erneut Forderungen nach seinem Rücktritt zurück.

Nach dem "Spiegel"-Bericht, der sich auf gemeinsame Recherchen mit der Medienorganisation Lighthouse Reports und der französischen Zeitung "Libération" stützt, untersuchen die OLAF-Ermittler auch, ob Offizielle angewiesen wurden, der Grundrechtsbeauftragten der Agentur Informationen vorzuenthalten.

Frontex erklärte auf AFP-Anfrage zu dem "Spiegel"-Bericht, OLAF habe die Behörde gebeten, keine Details der Ermittlungen zu veröffentlichen. Zu den Vorwürfen zur Grundrechtsbeauftragten Inmaculada Arnaez Fernandez erklärte ein Sprecher, Leggeri habe die Zusammenarbeit mit ihr "immer geschätzt". Der Frontex-Chef habe "sich oft an ihr Büro gewandt, um sich zu Fragen im Zusammenhang mit den Grundrechten beraten zu lassen".

Das Europaparlament erhöhte unterdessen den Druck auf Frontex. Eine Arbeitsgruppe, der auch die SPÖ-EU-Abgeordnete Bettina Vollath angehört, soll die möglichen Grundrechtsverletzungen der Behörde unter die Lupe nehmen. Ein Abschlussbericht wird im Juli erwartet.

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