„Dass die beiden ihr erstes Treffen nach der Wahl am Dienstag so positiv reformulieren, ist zunächst vor allem taktische Selbstaufmunterung“, sagt Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel zum KURIER. Die Gespräche jedenfalls gehen weiter. morgen, Freitag, soll das nächste Treffen stattfinden. „Über ihre Programme oder Politikweisen sagt das noch wenig aus.“
Neben guten Chancen auf eine Regierungsbeteiligung haben Grüne und FDP noch etwas Augenscheinliches gemeinsam: Erst- und Jungwähler – vor allem gebildete – haben sich mehrheitlich für diese Parteien entschieden. Wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Ist es bei den Grün-Wählern vor allem der moralische Drang „die Welt zu retten“, wie Wolfgang Merkel sagt, stehen bei FDP-Wählern Digitalisierung und finanzieller Wohlstand im Vordergrund. Für junge Frauen waren dabei tendenziell eher die Grünen attraktiv, für junge Männer eher die FDP.
Lindner (42) und Baerbock (40) waren die jüngsten Spitzenkandidaten in diesem Wahlkampf, ihre Parteien gelten als jung und modern. Auch auf Social Media haben Grün und Gelb am besten überzeugt.
„Die Differenzen sind eindeutig größer als die Gemeinsamkeiten“, sagt Merkel. Die FDP vertraue auf die „Kraft eines entfesselten Marktes“, die Grünen auf „staatliche Regulierung, die manchmal gar in Verbote mündet“. Sie punkten eher mit „Warnungen“, während die FDP auf „positive Visionen“ setzt.
Politologe Merkel erwartet sich in künftigen Verhandlungen „harte Auseinandersetzungen“. Zentraler Streitpunkt könnten Steuern sein. Die Grünen wollen, dass der Staat den CO2-Ausstoß bepreist, die FDP vertraut auf die Preissteuerung des Marktes. Sie wollen Reiche besteuern. Das kommt für die Liberalen nicht infrage. Zu den inhaltlichen Streitpunkten kommt noch die Personalfrage hinzu: Beide Parteien spitzen auf das strategisch wichtige Finanzministerium.
Treffen könnte man sich dennoch bei einigen Themen. Etwa planen beide Parteien Investitionen in Bildung und in digitale Strukturen. Pensionen stehen bei beiden nicht an vorderster Stelle – vor allem auch deshalb, weil das Thema bei ihrer jeweiligen Wählerschaft erst in Jahrzehnten spannend wird.
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