Was es mit Macrons europäischem Mega-Gipfel in Prag auf sich hat
Aus einem Fenster der Prager Burg wurden einst zwei Statthalter des Habsburger-Königs Rudolf II. geworfen. Die landeten zwar auf einem Misthaufen und überlebten, doch ihr Rauswurf löste in Folge eine der größten europäischen Katastrophen aus – den 30-jährigen Krieg (1618-48).
Heute, über vierhundert Jahre später, wird die geschichtsträchtige Prager Burg erneut Schauplatz eines historischen Ereignisses sein – mit genau gegenteiligen Zielen: den Frieden in Europa zu erhalten, die Zusammenarbeit zu stärken, die Energieknappheit zu bekämpfen und die Klimakrise einzudämmen.
Dazu werden sich am Donnerstag 44 europäische Staats- und Regierungschefs auf dem Prager Burgberg versammeln – so viele wie nie zu vor, in einem Format, das es bisher so noch nicht gegeben hat: der sogenannten "Europäischen Politischen Gemeinschaft". Nur einer war unerwünscht: Der weißrussische Machthaber Alexander Lukaschenko, wegen seiner Nähe zu Russlands Wladimir Putin.
Mit Ausnahme der dänischen Regierungschefin, die am Donnerstag wegen der Aufarbeitung des Nerze-Skandals in ihrem Parlament nicht fehlen darf, kommen alle zum Mega-Gipfel: die Granden der EU, darunter Kanzler Karl Nehammer, die Staats- und Regierungschefs der Westbalkanstaaten, der Schweiz, Norwegens, Islands und Liechtensteins, Moldaus, Georgiens, der Ukraine, der Türkei und der untereinander verfeindeten Staaten Armenien und Aserbaidschan.
Sogar Großbritanniens Premierministerin Lizz Truss reist an, nachdem zugesichert wurde, dass die am Donnerstag aus der Taufe zu hebende "Europäische Politische Gemeinschaft" absolut nichts mit einer Verpflichtung gegenüber einer europäischen Institution zu tun habe.
Noch auf der Suche
Was die ominöse "Europäische Politische Gemeinschaft" aber genau sein soll, weiß derzeit noch niemand so recht.
Erfunden hat sie Emmanuel Macron. Frankreichs Präsident hatte im Mai, noch unter Schock des russischen Krieges gegen die Ukraine, den Vorschlag vorgelegt: Alle Staaten, die noch nicht zur EU gehören oder auch gar nicht dazu gehören wollen, sollen sich neben der EU zu einer großen politischen Gemeinschaft zusammentun. "Wir müssen ja nicht alle im selben Haus wohnen, aber wir teilen uns dieselbe Straße", sagte Macron. Im Blick hatte er dabei vor allem eine gemeinsame Front gegen Russland.
Einer war unerwünscht
Gesagt, getan – und so treffen einander am Donnerstag erstmals so viele europäische Staats- und Regierungschefs wie nie zuvor. Nur einer ist nicht eingeladen: Weißrusslands Diktator Alexander Lukaschenko war wegen seiner Allianz mit Kremlherrn Putin unerwünscht.
Ob alle Gäste mit großer Begeisterung anreisen, darf bezweifelt werden: Denn vor allem die Westbalkanstaaten "sehen die Initiative mit großer Sorge", schildert Balkanexperte und Politologe an der Uni Graz, Florian Bieber, dem KURIER: "Es klang doch sehr stark nach einer Art potenziellem Abstellgleis für Länder, die der EU noch nicht beigetreten sind. Deswegen war die erste Reaktion sehr skeptisch, was das Positives bringen könnte." Zumal der Vorschlag ausgerechnet von Macron kam – "einem bekannten Skeptiker der EU-Erweiterung", schildert Bieber.
Aber feste Strukturen sollen es nicht werden, versichert man in Brüssel – eher eine "Plattform, um den Dialog und die Kooperation zu fördern". Zwei Mal pro Jahr könnten künftig solche Treffen möglich werden.
Viel Pomp und Trara also um ein Treffen, das wenige Stunden dauern und keine konkreten Beschlüsse bringen wird. 44 europäischen Staats- und Regierungschefs werden an vier Runden Tisch sitzen und sich mit zwei Themen befassen: mit "Stabilität und Sicherheit" sowie mit "Wirtschaft, Energie und Klima".
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