Was Clintons Lungenentzündung für den Wahlkampf bedeutet

Fünf Punkte zu Hillary Clintons Gesundheitszustand.

Die Kandidatin steht an eine Säule gelehnt, als sie die paar Schritte auf ihr Auto zugeht, wankt sie, stürzt sie, muss sie aufgefangen und gestützt werden. Das Video, das Hillary Clinton am Rande einer 9/11-Gedenkveranstaltung zeigt, wird sie durch den gesamten restlichen Wahlkampf begleiten.

Der österreichische und der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf ähneln sich mittlerweile nicht nur in der Länge; in beiden Wahlkämpfen rückt nun auch der Gesundheitszustand der Kandidaten zunehmend in den Fokus. Während in Österreich vom rechten Rand Gerüchte über eine Krebserkrankung Alexander Van der Bellens gestreut wurden und Norbert Hofers Antrag auf eine Berufsunfähigkeitspension veröffentlicht wurde, steht in den USA nach einem Schwächeanfall bei einer 9/11-Gedenkfeier Hillary Clintons Gesundheit im Fokus. Während zunächst von einer „Überhitzung“ die Rede war, hat Clintons Team Stunden später bekannt gegeben, dass am Freitag bei Clinton eine Lungenentzündung diagnostiziert wurde.

Was bedeutet das nun für den Wahlkampf?

1. Der Gesundheitszustand hat in den USA eine größere Bedeutung

Wie sich aktuell zeigt: Wenn es in Österreich keinen Bundespräsidenten gibt, geht die Welt nicht unter. Würden Hofer oder Van der Bellen aus gesundheitlichen Gründen für ein paar Wochen ausfallen, die Republik stünde nicht still. Es ist ein weitgehend repräsentatives Amt. Wenn der US-amerikanische Präsident ausfällt, hinterlässt er ein Machtvakuum. Die Entscheidungen, die er oder sie zu treffen haben, haben eine andere Tragweite als jene des österreichischen Präsidenten. Die Forderungen, über den Gesundheitszustand der Kandidaten informiert zu werden, haben in den USA viel mehr Gewicht - und Berechtigung.

2. Der Zwischenfall zeigt auch ein anderes Problem Clintons

Es ist mittlerweile fast ein Jahr her, dass Hillary Clinton eine Pressekonferenz abgehalten hat. Ihre Taktik scheint: Besser nichts zu sagen, als etwas Falsches zu sagen. Und wenn sie etwas sagt, will sie das selbst kontrollieren und sich nicht den unberechenbaren Fragen von Reportern stellen. Und auch die Informationspolitik bei ihrem Schwächeanfall war problematisch: Die am Freitag diagnostizierte Lungenentzündung wurde erst am Sonntag bekannt gegeben, und das vermutlich auch nur, weil sie den Schwächeanfall hatte. Clinton muss den durch diverse Skandale befeuerten Anschein loswerden, ständig etwas zu verbergen haben.

3. Der Schwächeanfall spielt Trump in die Hände

Seit Wochen wird seitens der Trump-Kampagne – stets mit sexistischen Untertönen – Clintons Eignung als Präsidentin aus gesundheitlichen Gründen in Frage gestellt. Trump stilisiert sich als starker Mann in jeder Hinsicht, während er der ersten Frau, die sich um das Amt bewirbt, Schwäche unterstellt. Im Netz kursieren Verschwörungstheorien, ein Sturz 2012 habe zu bleibenden Gehirnschäden geführt. Sie werden auch von prominenten Trump-Unterstützern wie dem ehemaligen New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani verbreitet, der die Wähler aufforderte, nach „Clinton“ und „Gesundheit“ zu googeln. Sie wirke müde und sehe krank aus, behauptete er schon vor Wochen. Das Argument Clintons war immer, dass sie die sichere Wahl ist, während Trump unberechenbar ist. Wenn nun tatsächlich Zweifel auftauchen, ob sie fit genug für das Amt ist, schwächt es ihr Argument.

4. Auch Trumps Gesundheit wird nun zum Thema werden

Die Diskussionen könnten aber auch auf Trump zurückfallen: Er wäre der älteste Kandidat, der jemals zum US-Präsidenten gewählt wird – und über seinen Gesundheitszustand wissen die Wähler gar nichts. Im Vorjahr veröffentlichte sein Arzt ein skurril anmutendes Statement, Trump sei „das gesündeste Individuum, das sich jemals um das Amt des US-Präsidenten beworben hat“ – später gab er zu, das Attest in fünf Minuten verfasst zu haben. Nun wird auch er unter Druck kommen, ausführliche Gesundheitsdaten bekannt zu geben.

5. Die Vize-Präsidenten werden in den Fokus rücken

Würde ein Kandidat noch vor dem Wahltermin sterben, könnte die Partei einen Ersatz nominieren – was bislang noch nie vorgekommen ist. Stirbt ein Präsident im Amt, übernimmt der Vize-Präsident; und je älter die Kandidaten, desto höher die Wahrscheinlichkeit. Das war 2008 ein Problem für den damals 72-jährigen John McCain, der unter anderem gegen Barack Obama verlor, weil seiner Wahl für die Vize-Präsidentin, Sarah Palin, nicht zugetraut wurde, im Notfall das Amt zu übernehmen. Das dürften die beiden Kandidaten bereits bei der Auswahl ihrer „running mates“ bedacht haben, beide haben sie unauffällige, aber bedachte Kandidaten mit langer Regierungserfahrung ausgewählt.

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