Was bringt die ganze Ukraine-Reisediplomatie?

Die Macht der Bilder ist groß, das wissen Politiker gut. Dass Frankreichs Präsident Emanuel Macron am Montag in Moskau am Ende eines Fünf-Meter-Tisches Platz nehmen musste, war eine Botschaft: Schließlich war die Distanz zwischen ihm und Gastgeber Wladimir Putin nicht nur wegen Corona groß.
Das Bild ist aber auch symptomatisch für die Reisediplomatie der Europäer. Derzeit versuchen Politiker an allen Fronten, die Lage in der Ukraine zu entschärfen – meist allein. Akkordierte Reisen wie jene von Außenminister Schallenberg, der mit Amtskollegen aus Tschechien und der Slowakei in der Ukraine ist, sind die Ausnahme.
Das führt zu Verstimmungen und Missverständnissen, auch bewusst herbeigeführten. Kurz nachdem Macron stolz verkündet hatte, die Russen würden keine weiteren Manöver an der Grenze zur Ukraine mehr durchzuführen, informierte der Kreml über neue Übungen – und schickte sechs Kriegsschiffe ins Schwarze Meer. Auch Macrons Freude über Putins Zusicherung, alle 30.000 russischen Soldaten aus Belarus nach Ende der Übungen wieder abzuziehen, zerschmetterte Moskau. "Wenn Sie es verfolgt haben, hat niemand jemals gesagt, dass russische Truppen in Belarus bleiben", so Putins Sprecher am nächsten Tag süffisant.
Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hatte in der Ukraine mit Unstimmigkeiten zu kämpfen. Ihre Donbass-Reise verschaffte ihr gute Bilder; weniger ruhmreich ließ sie aber der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij aussehen. Er ließ ein Treffen mit ihr platzen; offiziell aus Termingründen, inoffiziell, so bestätigten Quellen, etwa CNN, wegen der deutschen Kreml-Freundlichkeit. Auch, dass Berlin Waffenexporte nach Kiew mit dem Verweis auf die "historische Verantwortung" Russland gegenüber ablehnt, ärgert Kiew. Schließlich liefert Deutschland in andere Länder massiv Waffen – nach Israel etwa ebenso mit dem Verweis auf die Geschichte.
In Russland werden Europas Bemühungen ohnehin zwiespältig wahrgenommen, denn als eigentlichen Verhandlungspartner sieht man die USA. Allein, am Dienstag war dort etwas anders Thema: Wie Putin – für seine derbe Wortwahl bekannt – illustrierte, dass Kiew sich an die Minsker Vereinbarungen halten müsse: "Ob’s gefällt oder nicht, sei geduldig, meine Schöne", sagte er. Das Irritierende daran: Der Satz stammt aus einem anstößigen Folklorevers – und der dreht sich um die Schändung einer Frauenleiche.
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