Warum Putins Schatten über Mario Draghis Sturz liegt

Putin beim Gespräch mit dem russlandfreundlichen Rechtspopulisten Salvini
Laut Geheimdiensten war der Kreml an der Abwahl des italienischen Premiers wohl nicht ganz unbeteiligt.

aus Mailand Andrea Affaticati

Seit Premier Mario Draghi vor einer Woche zurücktrat, wird spekuliert, ob nicht auch der Kreml seine Finger im Spiel hatte. Immerhin gibt es unter Italiens Politikern – besonders in der Fünf-Sterne-Bewegung und der nationalpopulistischen Lega – allerhand Russlandversteher, das Land gilt in den Augen des Kreml als eine weiche Flanke der EU. In Moskau und in der russischen Botschaft in Rom sollen daher die Korken geknallt haben, als die Nachricht von Draghis Rücktritt kam, und sogar er selbst spielte in seiner letzten Rede vor dem Senat darauf an: „In der Außenpolitik gab es immer wieder Versuche, unsere Unterstützung der Ukraine und unseren Widerstand Putin gegenüber zu schwächen.“

Salvinis Berater im Fokus

Jetzt scheint es dafür Beweise zu geben. Die Tageszeitung La Stampa berichtete am Donnerstag über italienische Geheimdienstdokumente, die belegen sollen, dass russische Emissäre seit Mai an Draghis Stuhl sägten. Im Fokus dieses Rom-Kreml-Krimis stehen die Lega – da vor allem Antonio Capuano, außenpolitischer Berater und Vertrauter des Parteichefs Matteo Salvini – sowie Oleg Kostyukov, Stellvertreter der politischen Abteilung der russischen Botschaft in Rom.

Am 26. Mai hatte Draghi noch mit Putin telefoniert, versuchte ihn an den Verhandlungstisch zu bringen. Das war zwecklos: Putin habe nicht die geringste Absicht, den Krieg zu beenden, teilte Draghi mit. Der Kremlchef ließ ihn abblitzen – Putin schickte danach seine Emissäre auf Mission, berichtet die Zeitung. Am 27. Mai soll Botschaftsfunktionär Kostyukov Salvinis Berater Capuano gefragt haben, ob es möglich wäre, „die Lega-Minister aus der Draghi-Regierung austreten zu lassen“.

Moskau bezahlte Flugticket

Auch über Salvinis geplante Reise nach Moskau sei gesprochen worden. Capuano soll sich Anfang Mai mit einem Vertreter von Putins Partei in Verbindung gesetzt haben, um diese zu organisieren. Das wäre glaubwürdig: Die Lega pflegt seit Jahren enge Beziehungen zu „Einiges Russland“, unterschrieb 2017 ein fünfjähriges Abkommen mit ihr.

Ob das Abkommen erneuert wurde, ist nicht bekannt, die Beziehungen zu Putins Partei sind aber sicher nicht abgebrochen. Bezahlt wurde das Flugticket nach Moskau nämlich von „Einiges Russland“ – einmal in Russland angekommen, sollte Salvini den Betrag zurückerstatten. Dazu kam es nicht mehr: Die Vorbereitung der Reise war geheim gehalten worden, weder Premier Draghi noch die Lega wusste davon. Als die Nachricht durchsickerte, war die Entrüstung parteiübergreifend groß – Salvini sah sich genötigt, den Besuch abzusagen.

 

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