Für Putin reicht kein Hausverstand

Für Putin reicht kein Hausverstand
Die russischen Bomben auf Odessa machen klar, dass sich mit Putin kein Frieden machen lässt, bis er mit dem Rücken an der Wand steht.
Konrad Kramar

Konrad Kramar

Das Verhalten erinnert an diverse Fußballturniere und an die verschleppt-verschlampte Corona-Pandemie: Verwandelten sich die Österreicher einmal in Cheftrainer und das andere Mal in Virus-Experten, so vermehrt sich derzeit eine neue Spezies rasant: Der Chefdiplomat. Von überall tönen die Ratschläge, wie man rasch und ruckfrei diesen Krieg am Verhandlungstisch lösen solle. Das ganze Schlamassel mit Energienot und Inflation müsse ein Ende haben und dieser Herr im Kreml müsse doch auch ein ganz praktisches Interesse daran haben, sich mit einem halbwegs daheim verkäuflichen Sieg vom Schlachtfeld zu verabschieden.

Doch so wie ein Profi-Fußballturnier sich nicht so planen und spielen lässt, wie unsereins sich das aus der Sofa-Perspektive vorstellt, so wie der Umgang mit der Pandemie mehr braucht als ein paar Weisheiten über Schnupfen, so reicht auch im Umgang mit diesem autoritären System am Rande einer existenziellen Krise nicht der politische Hausverstand, den so viele derzeit zum Besten geben. In zwei Jahrzehnten sind die Mechanismen der Putin-Diktatur komplex geworden. Egal, ob es da um den inneren Zirkel der Macht rund um den Kreml-Herrn geht, um seine geostrategischen Ziele, oder um den Zustand seiner Streitkräfte: Um zu verstehen, wie diese Rädchen ineinandergreifen, ist jahrelange Beobachtung durch Experten notwendig und die Analyse von Details, die auch gut informierten Laien verborgen bleiben.

Keine trivialen Spielregeln

Der russische Bombenangriff auf Odessa, einen Tag nachdem man eine Einigung über Getreideexporte erzielt hatte, demonstriert eindringlich, dass sich Russlands Politik nicht aus dem politischen Handgelenk abschätzen lässt und Verhandlungen mit Moskau nicht den trivialen Spielregeln folgen, die so viele durchschaut zu haben glauben.

Mit Putin lässt sich nicht so einfach Frieden schließen. Sind es Einflüsterer in seinem Generalstab, die ihm Hoffnung auf einen Sieg machen? Ist es das Kalkül, dass sein Land die Sanktionen des Westens länger aushält als der die Gegenmaßnahmen? Ist es die Angst vor der tödlichen Schwächung seiner Macht, die eine Niederlage mit sich bringen würde? Fragen, auf die es keine simplen Antworten gibt, zumindest nicht so simpel, wie manche denken.

Militärischer Druck

Derzeit also gibt es nur eine Botschaft, die auf jeden Fall im Kreml ankommt: Anhaltender militärischer Druck durch moderne westliche Waffen. Erst wenn Russlands Angriffskrieg hoffnungslos festgefahren ist, wird sich Putin auf der diplomatischen Bühne wirklich bewegen. Und dann sollten die Verhandler des Westens sehr genau wissen, was im Hintergrund in den engeren Zirkeln der Macht läuft. Denn nur dann werden sie begreifen, wie man diesem Diktator einen Frieden abringt, der nicht nur eines seiner Spielchen ist.

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