Warum Le Pens Partei ihr 50-jähriges Bestehen nicht feiern will
von Simone Weiler
Es ist ein Geburtstag, den die Führungsriege des rechtsextremen Rassemblement National (RN) am liebsten übergangen hätte. Heute Mittwoch vor 50 Jahren wurde die französische Partei unter dem Namen Front National (FN) ins Leben gerufen.
Doch seit Marine Le Pen 2011 den Vorsitz von ihrem umstrittenen Vater Jean-Marie Le Pen übernommen hat, versucht die heute 54-Jährige, sich von der eigenen Geschichte und der der Partei zu distanzieren.
Historischer Erfolg
Sie ließ Le Pen Senior 2015 sogar aus dem FN ausschließen und ihm die Ehrenpräsidentschaft aberkennen. Zu sehr störten die Provokationen des verurteilten Holocaust-Verharmlosers das neue, glattere Bild der Partei, das Marine Le Pen ihrer Strategie, der „Entdämonisierung“, folgend aufbaute.
Offen rassistische und antisemitische Töne sollen im RN heute keinen Platz mehr haben. Um das Jubiläum dennoch irgendwie zu begehen, findet ein Kolloquium über die Parteigeschichte in der Nationalversammlung statt.
Dort zogen nach den Parlamentswahlen im Juni zur allgemeinen Überraschung 89 RN-Abgeordnete ein – ein historischer Erfolg, der den Rechtsextremen die Bildung einer großen Fraktion ermöglichte.
Neuer Vorsitz
Auf deren Führung will sich Le Pen künftig konzentrieren, weshalb die RN-Mitglieder bis November online einen neuen Parteichef wählen können.
Als Favoriten gelten Jordan Bardella, der den RN seit Le Pens Antreten bei der Präsidentenwahl 2021 interimistisch leitet und mit einer ihrer Nichten liiert ist, und der Bürgermeister Perpignans, Louis Aliot.
Wenn die Partei heute im Parlament ihrer Gründung gedenkt, gehört ihr erster Vorsitzender, Jean-Marie Le Pen, nicht zu den geladenen Gästen.
Der 94-Jährige organisiert Ende Oktober sein eigenes Fest in seiner Villa im schicken Pariser Vorort Saint-Cloud. Zumindest würden dorthin „keine Heuchler, sondern nur Freunde kommen“, sagte einer seiner Vertrauten gegenüber der Presse.
Postfaschistische Gruppe
Lange hat Jean-Marie Le Pen die Partei personifiziert und gilt bis heute als treibende Kraft bei deren Gründung. Doch dem Politikwissenschaftler Alexandre Dézé zufolge handelt es sich „bei dieser offiziellen Version um ein Umschreiben der Parteigeschichte“.
Die eigentlichen Gründer waren demnach ehemalige Mitglieder der Waffen-SS und Kollaborateure der Nazi-Besatzer, die sich zu der postfaschistischen Gruppe „Ordre nouveau“ zusammengeschlossen hatten.
Den vergleichsweise moderat auftretenden Le Pen, der damals bereits Erfahrung als Abgeordneter hatte, setzten sie als Präsidenten ein, um die Wahlchancen zu erhöhen.
Aufgebrachte Bürger
Le Pen gelang es in der Folge allerdings, die Kontrolle über die Partei zu erlangen. Handelte es sich in den ersten zehn Jahren um eine Rand-Bewegung, so verfügte sie ab den 80er-Jahren erstmals über Abgeordnete in Nationalversammlung und EU-Parlament.
Als Protest-Partei entwickelte sich der FN zum Sprachrohr aufgebrachter Bürger nach der Ölkrise, er machte Stimmung gegen Ausländer und Einwanderer und das politische System. Allerdings wuchsen die internen Spannungen, die 1998 zu einer Abspaltung durch Le Pens Rivalen Bruno Mégret führten und den FN zeitweise massiv schwächten.
Die Ideologie bleibt
Im selben Jahr wurde Le Pen wegen der Körperverletzung einer sozialistischen Bürgermeisterin zum Entzug des passiven Wahlrechts und einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt.
Dennoch folgte nur vier Jahre später sein größter persönlicher Erfolg, als er bei der Präsidentschaftswahl 2002 überraschend in die Stichwahl gegen Jacques Chirac einzog. Es folgten Massenproteste gegen die Rechtsextremen an der Pforte zur Macht.
15 Jahre später blieben Proteste aus, als sich Marine Le Pen ebenfalls für die zweite Runde der Präsidentenwahlen qualifizierte: Die Partei hatte sich unter ihrer Führung etabliert.
Doch auch wenn sich der Name änderte und nicht mehr der EU-Austritt gefordert wird – das Erbe, die auf dem Ausschluss von Minderheiten basierende Ideologie des „France first“, trägt der Rassemblement National weiter.
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