Vor der Kaserne in Rio de Janeiro wiederholt sich das Bild jeden Tag aufs Neue. Ein paar Dutzend Anhänger des scheidenden Präsidenten Jair Bolsonaro salutieren zur Nationalhymne. Sie sind gekommen, um eine Militärintervention zu fordern: „Wir wollen nicht, dass Brasilien ein kommunistisches Land wird wie Venezuela. Diese Wahl war manipuliert“, sagt eine Anhängerin, die ihren Namen nicht nennen will. Dass das Militär eingreift, gilt allerdings als unwahrscheinlich. Zumal der alte und künftige Staatschef Lula (ab 1. Jänner) wohl keine Diktatur nach dem Schlage Venezuelas, Kubas oder Nicaraguas etablieren wird.
Dennoch ist die Lage im Land gefährlich, denn seit 2014 gibt es in Brasilien eine Polarisierung, die es kaum noch möglich macht, dass der jeweilige Präsident oder Präsidentin von jenem Teil des Volkes akzeptiert wird, das anders denkt. Dilma Rousseff, Michel Temer, Jair Bolsonaro und nun Lula da Silva – ihnen allen schlug und schlägt blanker Hass entgegen, aus höchst unterschiedlichen Motiven.
Fake News mit ABBA
Die Bolsonaro-Anhänger sind mobilisierungsfähig, gut vernetzt, gut organisiert. Was sie nicht sind, ist gut informiert. Das Netz wird mit Fake News über die Wahlen geflutet, darunter sind absurde Falschmeldungen, wie die einer angeblichen schwedischen Journalistin, die über den Wahlbetrug in Brasilien berichtet. Tatsächlich aber handelt es sich um ein jahrzehntealtes Interview von ABBA-Sängerin Agnetha Fältskog – Thema: ihre neue Platte.
Bolsonaro selbst hatte Tage nach der Wahl seine Anhänger aufgerufen, die Straßenblockaden im Land aufzuheben. Gegenüber einem Vertreter des Obersten Gerichts erklärte er, die Sache sei durch, die Wahl beendet. Er gab seiner Regierung den Auftrag die Übergabe der Amtsgeschäfte vorzubereiten, was auch geschieht. „Die aktuellen Demonstrationen sind das Ergebnis von Empörung und einem Gefühl der Ungerechtigkeit über die Art und Weise, wie der Wahlprozess durchgeführt wurde“, sagte Bolsonaro.
Im Prinzip war das Thema damit durch. Doch ein kleiner Teil seiner Anhänger bleibt auf der Straße und fleht das Militär an. Bolsonaro verlangte nun, dass ein Teil der Urnen als möglicherweise manipulierbar nicht anerkannt werde und damit die Stimmen nicht zählen dürften. Dann hätte er gewonnen.
Streit erreicht Fußballer in Katar
Inzwischen hat der Streit die brasilianische Nationalmannschaft in Katar erreicht. Auch die Selecao ist gespalten, wenngleich nicht so unversöhnlich wie der Rest des Landes. Aber im Netz wurde nach dem Auftaktsieg Doppeltorschütze Richarlison gefeiert. Der gilt als Lula-Anhänger. Es gibt Animationen, wie er bei seinem spektakulären Tor statt den Ball Bolsonaro aus dem Strafraum schießt. Dagegen wird Bolsonaro-Unterstützer Neymar mit Spott und Häme überschüttet.
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