Warum die EU vor Härte gegen Irans Revolutionsgarden zurückschreckt
Der Druck auf die EU wächst: Irans staatliche Schlägertrupps sollen auf die Terrorliste: Doch damit wäre die Rückkehr zu einem Atomabkommen endgültig vorbei
Sie prügeln auf Demonstranten ein. Sie zerren Menschen aus Autos, erschießen Passanten, zwingen Schulmädchen in Gefängnisse, sie misshandeln, foltern, morden. Jedes der zahlreichen Vergehen der iranischen Revolutionsgarden würde den Schritt rechtfertigen, den die USA bereits vor drei Jahren gesetzt haben: die rund 200.000 Mitglieder der im Iran so gefürchteten Garden auf die Terrorliste zu setzen. Der Druck auf die EU wächst massiv, nicht erst seit dem Aufflammen der jüngsten Proteste im Iran. Auch das EU-Parlament stimmte am Mittwoch dafür: Die Revolutionsgarden müssen als Terrororganisation gelistet und als solche sanktioniert werden.
Doch diese Entscheidung liegt bei den europäischen Regierungen. Und die zögern weiter, diesen letzten Schritt zu setzen, der die Verbindungen zwischen EU und dem Iran radikal kappen würde.
Kleine Sanktionsrunde
Und so zeichnet sich auch für Montag, wenn die EU-Außenminister wieder in Brüssel zusammentreffen, nur eine kleine Sanktionsrunde gegen den Iran ab. Weitere drei Dutzend Personen und Organisationen werden wegen der ungeheuren Brutalität, der Hinrichtungen und Menschenrechtsverbrechen gegen die Demonstrierenden bestraft. Das bedeutet: Einreiseverbot in die EU, Vermögen werden eingefroren.
Niederschlagung
Seit mehr als 120 Tagen knüppelt das iranische Regime die jüngsten Proteste grausamst nieder : Mehr als 500 Tote, zig-Tausende Verhaftungen, bisher 13 Todesurteile
Revolutionsgarde
Sie ist das wichtigste Werkzeug der Macht im Gottesstaat – ein Staat im Staat, mit hochgerüsteten Kampftruppen, Firmenimperien, Banken, politischen Einflussträgern.
200.000 Mitgliederzählen die Revolutionsgarden in Iran
„Die Revolutionsgarden sind nur ein Teil des umfassenden Unterdrückungsapparates in der Islamischen Republik“, schildert Iran-Experte Cornelius Adebahr von der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik.
Würde die EU die nun knapp 200.000 Mann zählende Garde auf die Terrorliste setzen, wäre deshalb noch nicht gewährleistet, dass dies die Lage der Protestierenden bessern würde. Und zudem, so Adebahr, „scheint die Politik hier Abwägungen zu treffen: Wäre der Schaden größer als der Nutzen?“
Dilemma: Atomvertrag
Der Schaden wäre das endgültige Aus für den Atomvertrag mit dem Iran. Der liegt zwar auf Eis, und die brutale Niederschlagung der Proteste hat jede Wiederaufnahme der Gespräche unmöglich gemacht. „Aber die Aussicht soll bestehen bleiben“, schildert Adebahr, „dass irgendwann doch wieder mit Teheran verhandelt werden könnte“. Mit dem Ziel: keine Atombombe für den Iran.
Das Atomabkommen sei „realpolitisch ohnehin schon tot“, meint dagegen die österreichische Juristin Shoura Hashemi. Würde es wieder aktiviert werden, „wären die Folgen für die Bevölkerung noch schlimmer. Dann würden die Sanktionen aufgehoben, und die Gelder würden wieder zu den Firmen der Revolutionsgarden zurückfließen. Es würde also die Mullahs an der Macht halten.“
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