Und diese Skepsis wurde durch die weltweiten Debatten um Astra Zenica noch befeuert. Fast alle Länder der Region setzten auf dieses Vakzin, weil es billiger ist und die Logistik einfacher – das Vakzin muss nicht wie BioNTech/Pfizer auf minus 15-20, früher sogar auf minus 70 Grad gekühlt werden, es reichen normale Kühlschranktemperaturen.
Doch die Irritationen um diesen Impfstoff erklärt nicht die breite der Ablehnung. „Es gibt auf dem Kontinent eine generelle Skepsis gegen viele Arzneien. Gerade die einfacheren Menschen glauben, dass da irgendwelche schädliche Wirkstoffe enthalten seien“, sagt der Leiter des GIGA-Instituts für Afrika-Studien in Hamburg, Matthias Basedau, im KURIER-Gespräch.
"Keine Versuchskaninchen"
Derartige Thesen erhielten Nahrung durch die Äußerungen eines französischen Forschers aus dem Vorjahr. Dieser hatte in einem Interview vorgeschlagen, man solle Impfstoffe zunächst an der afrikanischen Bevölkerung erproben. Dort war der Aufschrei groß: „Wir sind keine Versuchskaninchen“, war der einhellige Tenor. Obwohl der Wissenschaftler schnell zurückruderte, war die Botschaft in der Welt – und verbreitete sich via Soziale Medien wie ein Lauffeuer. „Die meisten Afrikaner beziehen ihre Informationen ausschließlich aus solchen Quellen ohne kritische Betrachtung. Und da gibt es jede Menge Desinformation“, analysiert der österreichische Afrika-Kenner Walter Sauer gegenüber dem KURIER.
"Verschwörungserzählungen"
„Es gibt zahlreiche Verschwörungserzählungen und Missverständnisse auf diversen Internet-Plattformen“, bestätigt Freddy Nkosi, der für die Organisation VillageReach die Impfkampagne im Kongo mitbetreut. Sein Kollege, der kenianische Gesundheitsexperte Githinji präzisiert: Vor allem auf WhatsApp kursierten Gerüchte über angebliche Unfruchtbarkeit, verursacht durch Corona-Impfungen. „Die Menschen haben kaum verlässliche Informationen, und sie vertrauen ihren (oft korrupten; Anm.) Regierungen prinzipiell nicht.“
Das zeigte sich zuletzt in Uganda. Dort machten Gerüchte die Runde, Gesundheitsministerin Jane Ruth Aceng Ocero habe ihre eigene Impfung bloß vorgetäuscht. Auf Twitter postete sie daher ein Video, das sie bei der Verabreichung des Vakzins zeigt. Dazu der Kommentar: „Bitte verbreitet keine gefälschten Nachrichten!“
Doch es half nichts, die tiefe Skepsis vieler bleibt. Wie könne es sein, dass es gegen das HI-Virus (Aids) nach all den Jahren immer noch keine Immunisierung gebe, aber gegen Corona in der kurzen Zeit schon, fragen sich viele – und geben sich gleich selbst die Antwort: Alles ein großer Bluff.
Im Übrigen sei Covid-19 „ohnehin nur eine Krankheit der Weißen, die nur sie treffe“, führt Walter Sauer ein weiteres Argument der afrikanischen Impfgegner an, „das natürlich falsch ist, wenn man sich die Zahlen erkrankter und verstorbener Schwarzer in den USA anschaut“. Doch weil der Kontinent – zumindest laut offiziellen Zahlen und wenigen Testungen – von der Pandemie tatsächlich weniger stark betroffen ist (insgesamt nur 4,5 Millionen Infektionen von weltweit rund 150 Millionen), hängen viele diesem Irrglauben an und stufen Ebola als weit gefährlicher ein als Covid-19.
Dieses Bündel an Gründen speist die Impfskepsis vieler Afrikaner, die der ugandische Elektriker Richard Bbale gegenüber der deutschen Zeitung "Die Welt" auf den Punkt bringt: „Ich lasse mir sicher kein Vakzin iniziieren, selbst wenn die Regierung uns dazu zwingen will.“
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