Wann ein israelischer Angriff auf Rafah möglich wäre

Wann ein israelischer Angriff auf Rafah möglich wäre
Bis jetzt wirken die militärischen Ankündigungen daher mehr als ein Versuch, Hamas und vor allem Sinwar unter Druck zu setzen, mehr Kompromissbereitschaft zu zeigen.

Die Verhandlungen um einen weiteren Austausch israelischer Geiseln im Gewahrsam der militanten Hamas-Islamisten im Gaza-Streifen mit Hamas-Terroristen aus israelischen Gefängnissen schwimmen weiter im Wechselbad der Gefühle. Am Wochenende sprangen optimistische Erwartungen eines neuen Austausch-Deals und Feuerpause plötzlich wieder um in Kriegsdrohungen. Doch die Vermittler aus Ägypten, Katar und den USA bemühen sich weiter um ein neues Abkommen. Ohne spürbare Unterstützung der Kriegsseiten: Hamas feuerte am Sonntag aus dem Grenzort Rafah wieder Raketen und Granaten auf den israelischen Grenzübergang Keren Shalom. Israel begann mit Vorbereitungen zu einer militärischen Offensive gegen Rafah. 

Sinwar sieht sich als Held

Die israelische Tageszeitung Haaretz sieht eine „Einheitsfront zwischen Israels Premier Benjamin Netanjahu und Hamas-Chef Jechije Sinwar in Gaza“. Beiden käme ein neuer Kompromiss derzeit noch ungelegen. Obwohl der innere wie äußere Druck auf beide zunimmt. 

Doch im Gegensatz zur Hamas-Auslandsführung mit Sitz in Katar wirkt der diplomatische und finanzielle Druck aus Ägypten und Katar auf Sinwar nicht direkt. Sinwar wagt daher ohne Absprache mit der Auslandsführung seine Verweigerungshaltung. Erleichtert wird ihm dies auch durch den seit einigen Wochen spürbar nachlassenden militärischen Druck Israels. Sinwar sieht sich selbst infolge des blutigen Überfalls der Hamas auf Südisrael am 7. Oktober 2023 als Held des Islams. Mit wachsender Unterstützung in aller Welt bis hin zu den massiven Solidaritätsaktionen an Universitäten in den USA.

Israels öffentliche Meinung befürwortet klar ein Abkommen zur Geiselbefreiung. Doch Stimmen aus der Regierung äußerten sich kontraproduktiv zur herrschenden Meinung "Die Geiseln gehen vor". Eine „hochrangige Stimme“ meldete sich sogar direkt aus dem Amtssitz des Premiers mit der Stellungnahme: „Der Krieg geht weiter und die Armee wird auch in Rafah gegen Hamas vorgehen.“ Was die Haltung der Hamas in den Verhandlungen sofort verhärtete. In ihnen ging es bislang um die stufenweise Durchführung von Austausch-Abkommen. Die dann letztlich auch auf eine mögliche Kampfeinstellung hinführen sollten. Jetzt fordert Hamas  sofortige Garantien für ein Ende der Kämpfe. Auch ohne den von Israel geforderten Machtverzicht der Hamas. Israels Verteidigungsminister Joav Gallant: „Das lässt uns keine Wahl und bedeutet, dass wir gegen Rafah vorrücken müssen.“

Lage noch immer katastrophal

So wendet sich Israels Armee seit Sonntag wieder per SMS und Flugblättern direkt an die Zivilisten im Gazastreifen. Sie sollen das mögliche Kriegsgebiet bei Rafah diesmal in Richtung Nordwesten verlassen. Nach Kriegsbeginn wurden Hunderttausende nach Rafah gelenkt, um den Kämpfen im Norden zu entgehen. Sie leben in notdürftig errichteten Zeltlagern. Ihre Versorgung hat sich in letzter Zeit zwar leicht verbessert, die Zustände sind aber immer noch katastrophal. Ein größerer Landesteg für Hilfslieferungen wird gerade mit US-Hilfe errichtet. Er wird aber erst gegen Ende Mai bereitstehen.

Aus der Distanz betrachtet klingen die Kriegstrommeln auf beiden Seiten etwas gedämpfter. CIA-Chef William Burns pendelt weiter zwischen Israel, Katar und Ägypten. Den USA geht es dabei nicht nur um einen Geisel-Deal. Sie haben auch die extrem angespannte Lage an der libanesischen Grenze im Auge. Letztlich geht es darum, die gefürchtete Ausweitung des Krieges im Gazastreifen in einen regionalen Konflikt mit dem Iran zu vermeiden.

Israels Armee teilte am Montag mit, die mögliche Offensive würde "die Stadt Rafah nicht direkt berühren". Selbst dann aber würden ihre Vorbereitungen noch Wochen dauern. Bis jetzt wirken die militärischen Ankündigungen daher mehr als ein Versuch, Hamas und vor allem Sinwar unter Druck zu setzen, mehr Kompromissbereitschaft zu zeigen. Eine Zerschlagung auch seiner letzten vier Terror-Brigaden würde Sinwar und die Machterhaltung der Hamas in Gaza enorm schwächen. Andererseits weiß auch Israels Öffentlichkeit, dass eine Offensive gegen Rafah nicht den von Netanjahu angekündigten „vollständigen Sieg und die Ausmerzung der Hamas“ bringen wird. Da bleiben noch Zeit und Platz für einen Deal.

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