Barak kommt von den Sozialdemokraten, die für Rachel „halblaue Salon-Sozis“ waren. Deren neuer Chef verbündete sich mit einer strammrechten Splitterpartei. „Die haben ein richtig soziales Programm, das mich mehr als Barak anspricht.“
Die zwei einst einflussreichen linken Parteien kratzen an der Mindesthürde. Noch von oben – zumindest in Umfragen. Die liegen in Israel aber notorisch falsch. „Links gewinnt in Umfragen. Netanjahu und sein Likud an der Urne“, weiß jedes Kind.
Auch Netanjahus wichtigster Herausforderer Benny Gantz mit seiner Blauweiß-Partei wird laut Umfragen seinen hohen Erfolg vom April kaum wiederholen können. Er führt aber weiter. Seine Scheu vor der Kamera wirkt auf den ersten Blick hilflos, vor allem im Vergleich zum eloquenten und selbstsicheren „Bibi“ Netanjahu. Doch verliert dessen Hochglanz an Wirkung, bei zwei Wahlen im Halbjahr werden die Augen Bibi-müde.
Gantz wirkt nicht poliert, sondern authentisch. Mit zwei Metern Länge und strahlenden blauen Augen spricht er nicht allein Frauen an, die Holprigkeit des Ex-Armeechefs wirkt auch auf Männer – in Israel fast alle Veteranen. „Der ist echt, nicht Style“, meint Boas, der Fahrer des Sammeltaxis, „Bibi ist Teflon, da bleibt kein Dreck kleben. Benny ist einfach sauber, da ist kein Dreck.“
Der Newcomer hat jedoch keine Wählerreserven, die ihn automatisch wählen – anders als „Bibi“, auch wenn gegen den drei Korruptionsverfahren schweben. Doch die Reflex-Wähler schwinden. Und auch im Urgestein der Partei gibt es immer mehr kritische Stimmen, darunter Benny Begin, Sohn des Likud-Gründers Menachem Begin.
Der Ex-Abgeordnete Michael Eytan sagt: „Der Likud wird zu einer Sekte, die Netanjahu blind folgt. Ihm und seiner Familie, die glaubt, ohne sie wäre der Staat verloren.“ Nicht blind, aber treu folgen Netanjahu auch die orthodoxen Parteien. Sie erklärten bereits, dass sie nur in eine von ihm geführte Regierung eintreten.
Bibi-müde Likud-Wähler werden kaum alle zu Gantz überlaufen. Doch gibt es auch im Rechtsblock eine ganze Reihe neuer Parteien. Aber auch sie sind in Umfragen meist überschätzt und kratzen an der Mindesthürde.
Die arabischen Wähler könnten die Wahlen entscheiden. 1999 verhalfen sie Barak zum Sieg gegen alle Prognosen. Doch ist dies 2019 kaum zu erwarten. Saki, der in Jaffo ein kleines Restaurant führt, zuckt auf Anfrage die Schultern: „Blauweiß will so rechts sein wie Netanjahu. Die ignorieren uns. Warum soll ich da wählen?“ Rula, die Kellnerin, sagt: „Es wäre gut, wenn Netanjahu weg wäre. Der hetzt doch gegen uns.“ Umfragen unter arabischen Wählern sind in Israel noch unzuverlässiger als die allgemeinen.
Oft zieht Netanjahu im letzten Moment Asse aus dem Ärmel. Seine bisherigen Versuche überzeugten allerdings nur die ohnehin Überzeugten. Menni Ratosch, der seinen Teller mit Pita-Brot säubert, lacht: „Das mit der Annexion der besetzten Gebiete serviert er ja vor jeder Wahl. Seine Iran-Politik finde ich zwar richtig, aber er braucht dazu die USA. Und es sieht so aus, als ob Trump ihm nicht blind folgt.“
Sein Freund stellt sich lachend vor. „Ich heiße Boris und als Bibi in London war, sah der dortige Boris nicht besonders glücklich aus. Auch Putin hat anderes als Wahlhilfe für Bibi im Sinn. In Sotschi ließ er ihn drei Stunden warten.“
Boris wanderte vor 20 Jahren als Kind aus Russland ein. Sein Kandidat ist Avigdor Lieberman, der im letzten Jahrzehnt vom Netanjahu-Busenfreund zu dessen Erzfeind mit eigener Partei, Beytenu, mutierte. „Im April hab ich ihn nicht gewählt, dann aber hat Lieberman eine Koalition unter Netanjahu verhindert. Das wird er auch diesmal. Er will eine Große Koalition mit Likud und Blauweiss. Das ist das Beste. Viele werden Beytenu als Zünglein an der Waage wählen.“
Klingt für viele – nicht nur an Sakis Tischen – glaubhaft. Israels Probleme würden danach dieselben sein wie zuvor. Aber ohne Netanjahu.
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