"Es ist die siebte Wahl seit 2009, mittlerweile saß jede Partei mindestens einmal in der Regierung. Geändert hat sich trotzdem nichts. Die Menschen haben es satt", so Nick Malkoutzis vom unabhängigen Polit-Institut MacroPolis in Athen zum KURIER.
Angst vor einer Krise wie 2015
In den Umfragen liegt Mitsotakis’ konservative Nea Dimokratia (ND) bei 36 Prozent, Tsipras’ Syriza bei 29, die sozialdemokratische Pasok bei zehn. Thematisch wurde der Wahlkampf – wieder einmal – von der wirtschaftlichen Lage des Landes bestimmt.
Auch wenn sich die Wirtschaft nach der Schulden- und Finanzkrise stabilisiert hat, die Arbeitslosigkeit gesunken und der gewaltige Schuldenberg des Landes geschrumpft ist – "die Gehälter sind immer unter denen von 2009, als die Krise begann. Die Arbeitslosigkeit liegt immer noch über zehn Prozent, noch höher ist sie unter der jungen Bevölkerung. Die geschaffenen Jobs sind meist prekär, befristet, Teilzeit oder saisonal“, erklärt Malkoutzis. Inflation und Teuerungen befeuern die Ängste der Bevölkerung. "Die Erinnerungen an Instabilität und Unsicherheit wie in 2015 sind noch fest in den Köpfen der Menschen", so Malkoutzis.
Bei den Jungen kommen Unzufriedenheit und Wut auf die Korruption der politischen Elite dazu, die für das verheerende Zugunglück mit 57 Toten Anfang März verantwortlich gemacht wird, sowie das teils brutale Vorgehen der Polizei gegen die Proteste danach.
Die Opposition versuchte im Wahlkampf, die Unzufriedenheit gegen die Regierung für sich zu nutzen: Wohlstand und Wachstum würden ungleich verteilt, so ihr Vorwurf, es profitierten vor allem der Regierung Nahestehende. Die Regierung konterte: Man habe das Land stabilisiert, sei auf dem richtigen Weg. "Wollt ihr das wirklich riskieren?", fragt Mitsotakis die Bevölkerung.
Mitsotakis will lieber allein regieren
Noch etwas dürfte für eine geringe Wahlbeteiligung sorgen: Mitsotakis’ öffentliches Spekulieren auf Neuwahlen Anfang Juli. Denn bei der Wahl am Sonntag gibt es erstmals keinen Bonus von bis zu 50 Parlamentssitzen für die stimmenstärkste Partei. Der Bonus wurde nach Ende der Militärdiktatur 1974 eingeführt, um die Regierungsbildung zu vereinfachen und Stabilität zu garantieren, wurde unter Tsipras aber abgeschafft – wohl um sich selbst, sollte die Syriza eines Tages in der Opposition landen, zu stärken. Mitsotakis hat die Regelung wieder eingeführt, sie gilt aber erst bei der nächsten Wahl.
Dahinter steckt Mitsotakis' Hoffnung, die Alleinregierung weiterführen zu können, anstatt sich mit der sozialdemokratischen Pasok in eine Koalition zwängen zu müssen. Deren Beziehung gilt sowieso als angeschlagen, schließlich war der Parteivorsitzende eines der Opfer des Abhörskandals, den Mitsotakis im vergangenen Jahr aber elegant unter den Teppich kehrte.
Keine Neuauflage Tsipras-Varoufakis
"Zudem profitiert Mitsotakis von einem traditionellen Fremdeln der Bevölkerung mit Koalitionsregierungen", sagt Malkoutzis. Erfahrung mit dem Führen von Koalitionen hat nur Tsipras, "doch die Opposition hat es nicht geschafft, sich kohärent und geeint darzustellen." Eine Neuauflage einer Regierung Tsipras-Varoufakis – der frühere Finanzminister dürfte es mit seiner linken MeRA25 ganz knapp ins Parlament schaffen – gilt daher als unwahrscheinlich.
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