Israel präsentiert sich international als Hochburg der High-Tech-Startups. Vor allem im Bereich der Datensicherheit und der Abwehr von Cyber-Kriminalität sind viele Unternehmen Weltspitze.
Doch es gibt auch eine dunkle Seite dieser High-Tech-Welt, und Shalev und Omri wechselten dorthin. Ihr wichtigster Begleiter, ein weiterer Absolvent der Einheit 8200, der allerdings schon mit mehr Geheimdienst-Erfahrung: Niv Carmi. Sie gründeten eine Firma, und aus den Anfangsbuchstaben ihrer drei Vornamen bastelten sie deren Namen: NSO.
An Autokraten geliefert
Dass diesen Namen seit einigen Wochen die ganze Welt kennt, war eigentlich nicht geplant. Schließlich betreibt NSO ein sehr diskretes Geschäft. Software-Technologie zur Überwachung von Handys. Offiziell geht „Pegasus“ nur an die Geheimdienste enger Verbündeter, und wird dort ausschließlich zur Bekämpfung von Terrorismus und kriminellen Netzwerken eingesetzt. Ein internationales Reporternetzwerk enthüllte ein ganz anderes Bild: „Pegasus“ wurde offensichtlich an autokratische Regime wie Saudi-Arabien geliefert und war bei der Ermordung des regimekritischen Journalisten Jamal Kashoggi im Spiel. Ungarns Premier soll es gegen Oppositionelle eingesetzt haben, der Emir von Dubai bei der Jagd auf seine Tochter, die aus dem Land geflohen war. Die Firma dementiert, spricht von einer Verleumdungskampagne.
Doch NSO ist nur die zufällig aufgetauchte Spitze eines Eisbergs. Den Nachschub an Fachkräften für Israels Cyber-Industrie liefern die Armee und die Einheit 8200, und die hat sich ihre Spezialisten in den Gebieten gezüchtet, die für sie wichtig sind: Aufklärung, Spionageabwehr, elektronische Kriegsführung.
Rasant wachsender Markt
Neben 8200 sind es heute kleinere Abteilungen, die für spezielle Aufgaben eingesetzt werden, etwa das Hacken von Computer- und Handynetzwerken. NSO, so erläutert es der israelische Experte Israel Bachar gegenüber CNN, ist nur eine von vielen Unternehmen auf dem rasant wachsenden Markt für Cyber-Spionage: „NSO liefert ein Werkzeug, aber es gibt sehr viele Werkzeuge“.
Einer der wichtigsten Förderer der Branche war Israels langjähriger Premier Netanyahu. Moderne Industriestaaten, so meinte er auf einer internationalen Messe für Cyber-Sicherheit, müssten sich gegen Hacker-Angriffe verteidigen können: „Das ist ein unaufhörliches Wettrennen, und der Ausgang ist unsicher. Wir aber müssen an der Spitze sein – und an der Spitze bleiben.“
Das ist offensichtlich geglückt. Auf dem Gebiet der Cyber-Sicherheit gehört Israel mit mehr als 500 Firmen zur Weltspitze, exportiert Jahr für Jahr Software und Expertenwissen im Wert von Milliarden.
Doch die Kundschaft ist nicht nur an Spionage-Abwehr interessiert, sondern auch am Gegenteil. „Seien wir ehrlich. Staaten spionieren einander ständig aus“, gibt sich Experte Bachar abgeklärt: „Da heißt es, jeder gegen jeden.“
Irans Atomprogramm im Visier
Israels Armee und Geheimdienst demonstrieren ohnehin regelmäßig ihre Cyber-Power. Eines der bevorzugten Angriffsziele ist das iranische Atomprogramm: Erst vor wenigen Monaten kollabierte wieder einmal die von den Iranern eben erst aufgerüstete Atomanlage in Natanz. Ein Computervirus ließ die neuen Zentrifugen über Wochen stillstehen. Israel dementiert diese Cyberattacken so verspätet und halbherzig, dass kein Experte daran zweifelt, dass die Armee und ihre Cyberkrieger dahinter stehen.
In Wahrheit sei das die beste Werbung für israelische Hacking-Experten wie NSO, gesteht auch Israel Bachar ein. Zwar habe der Skandal um Pegasus eine heftige Debatte um striktere Exportkontrollen für Spionage-Software ausgelöst, aber das Interesse – etwa der arabischen Autokraten – würde so nur noch angefacht: „Am Ende erinnern sich die Leute vor allem an eines: Die beste Technologie stammt aus Israel.“
Kommentare