Iran: Ein neuer Präsident und eine neue Krise dem Westen
Niemand erfuhr, wer die Bewaffneten waren, oder was sie eigentlich an Bord des Tankers „Asphalt Princess“, der am Dienstag den Oman ansteuerte, wollten. Ohnehin war die Sache nach ein paar Stunden vorbei. Politisch gingen die Wogen trotzdem hoch. Die Regierung in London verdächtigte den Iran als Drahtzieher der offensichtlich abgeblasenen Entführung, in Washington unterstellte man Teheran ein „verstörendes Muster von Kriegslust“.
Von Beginn an unter Druck
So heftig sind die aktuellen Spannungen zwischen dem Iran, Israel und dem Westen, dass auch ein solcher Zwischenfall eine Eskalation nach sich ziehen könnte. Keine günstigen Vorzeichen für den neuen iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi, der am Donnerstag sein Amt antritt. Der 60-Jährige gilt ohnehin als anti-westlicher Hardliner und enger Vertrauter des konservativen geistlichen Führers Ayatollah Khamenei. Raisi ist im Iran mit einer dramatischen Wirtschafts- und Versorgungskrise konfrontiert, verschärft durch die Corona-Pandemie, aber auch durch westliche Wirtschaftssanktionen, allen voran der USA. Dazu kommt akuter Wassermangel, der erst kürzlich zu Protesten mit mehreren Toten geführt hat.
Tausende Todesurteile
Raisi steht wegen seiner dunklen Vergangenheit als Richter, der Tausende Todesurteile abgewickelt hat, selbst auf den US-Sanktionslisten. Sein zum Amtsantritt geäußerter Plan, für ein Ende der Sanktionen zu kämpfen, hat also derzeit wenig Aussicht auf Erfolg.
Vielmehr gilt es, einer direkten militärischen Konfrontation mit Israel auszuweichen. Denn die ist seit der Vorwoche einen riskanten Schritt näher gerückt. Auslöser war ein weiterer Angriff auf einen internationalen Tanker im Persischen Golf. Die „Mercer Street“ geriet unter Beschuss von mehreren Drohnen. Der rumänische Kapitän und ein britisches Besatzungsmitglied starben. Da das Schiff – über mehrere branchenübliche Umwege – einem israelischen Unternehmer gehört, ließ man in Jerusalem von Anfang an keinen Zweifel daran, wen man hinter den Attacken vermutet: Das Mullah-Regime, und da vor allem dessen Revolutionsgarden. Deren Eliteeinheiten sind Teherans paramilitärischer Arm im Ausland, verantwortlich für Einsätze in Syrien oder im Libanon, aber auch für mehrere Attacken in den vergangenen Jahren auf internationale Schiffe im Persischen Golf. Der Iran streitet kategorisch ab, mit früheren, oder auch der jüngsten Attacke etwas zu tun zu haben, und spricht von „fragwürdigen und verdächtigen Vorfällen“, die von nicht näher genannten Mächten für politische Zwecke missbraucht würden.
Gespräche in Washington
Die israelische Regierung bereitet sich nach Berichten der Jerusalem Post auf einen Gegenschlag vor und ist dafür auch in intensivem Kontakt mit der Schutzmacht USA. Eyal Hulata, Nationale Sicherheitsberaterin der gerade erst angelobten Regierung von Premier Naftali Bennett, ist gerade in Washington. Das wichtigste Gesprächsthema mit den Kollegen vom US-Außenministerium: der Iran. US-Außenminister Anthony Blinken, aber auch der britische Premier Boris Johnson haben schon zuvor von „Konsequenzen“ für Teheran und einer „passenden Antwort“ auf die Attacken gesprochen. Wie die ausfallen könnten, lässt sich vorerst nicht absehen. Israel aber hat in jüngster Zeit mehrfach eindrücklich bewiesen, dass man im Konflikt mit dem Iran über ein großes Waffenarsenal verfügt. So gab es mehrfach Cyber-Angriffe auf iranische Atomanlagen, die dadurch längerfristig lahmgelegt wurden, ein iranischer Atomphysiker wurde ermordet, oder Einheiten der Revolutionsgarden in Syrien, oder im Libanon aus der Luft angegriffen.
Regierungschef Bennett scheint die Attacken im Persischen Golf vorerst einmal politisch benützen zu wollen. Er spricht vom „aggressiven Vorgehen Teherans, das nicht nur Israel, sondern globale Interessen gefährdet: die freie Schifffahrt und den internationalen Handel.“
Der ehemalige Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, Amos Yadin, rechnet ebenfalls nicht mit einem raschen Gegenschlag Israels. Die erste Reaktion sei gewesen: „Wir müssen uns rächen“. Inzwischen aber wolle man Iran vor allem international isolieren, „der Welt zeigen, dass der Iran ein Terrorstaat ist.“
Dem iranischen Präsident bleibt schon zu Amtsantritt nichts anderes übrig, als Härte zu demonstrieren. Er erwarte nicht, dass das Ausland zu Verbesserung der Lage beitrage: „Aber wir werden die Lebensbedingungen im Land nicht an den Willen von Ausländern binden.“
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