Vorwurf: Moskau treibt die Gaspreise hoch
Der Gaspreis auf dem Weltmarkt schießt gerade durch die Decke – in Österreich ist der Großhandelspreis für Gas derzeit fünf Mal so hoch wie vor einem Jahr. Einen großen Anteil daran – bei einer Vielzahl von Gründen – haben die niedrigen Speicherstände. Und dabei könnte wiederum Europas größter Gaslieferant, der russische Energieriese Gazprom, die Hände mit im Spiel haben.
Das zumindest argwöhnen 40 EU-Abgeordnete, die sich mit einem offenen Brief an die EU-Kommission wandten und eine Untersuchung einfordern:„Der Rekordanstieg der Erdgaspreise in Europa in den letzten Wochen könnte ein direktes Ergebnis der bewussten Marktmanipulation und der Maßnahmen von Gazprom sein“, heißt es im Schreiben der Mandatare. Ihr Verdacht: Der russische Gasriese halte Lieferungen nach Europa bewusst zurück, erzeuge so künstliche Knappheit und treibe die Preise nach oben.
Dahinter vermuten die Abgeordneten quer durch alle Fraktionen knallharten politischen Druck aus Moskau. Othmar Karas (ÖVP), Vizepräsident des EU-Parlaments, unterstützt den Aufruf an die Kommission. „Wenn sich Gazprom bei anhaltend steigenden Energiepreisen weigert, Gaslieferungen durch bereits bestehende Pipelines zu buchen und seine eigene Gasproduktion drosselt, dann wirft das energie- und wettbewerbspolitische Fragen auf“, sagt er gegenüber dem KURIER. Diesen Vorwürfen, urgiert Karas, „muss die EU-Kommission nachgehen.“
Ziel Moskaus ist es offenbar, die soeben fertiggestellte Pipeline Nord Stream 2 nun auch so schnell wie möglich in Betrieb zu nehmen. Derzeit läuft noch das Zertifizierungsverfahren für die zwischen Russland und Deutschland verlaufende Ostsee-Pipeline. Dies kann bis zu vier Monate dauern.
Doch Moskaus Regierungssprecher Dmitri Peskow lockte in der Vorwoche: „Die schnellstmögliche Inbetriebnahme von Nord Strem 2 würde die Gaspreise in Europa zweifellos signifikant ins Gleichgewicht bringen.“
Garantien verweigert
Gazprom-Chef Alexei Miller wiederum weist alle Vorwürfe zurück: Alle langfristigen Lieferverträge seien bisher eingehalten worden.
Die Europäische Union erhalte alles, was vereinbart worden sei. Garantien für zusätzliche Lieferungen, um die Speicher zu füllen, hat Gazprom allerdings verweigert.
Nach den langen, kühlen Temperaturen bis weit ins Frühjahr hinein wurde heuer auch in Österreich länger geheizt als sonst. Das bedeutet, die Gasspeicher werden später gefüllt. Deswegen liegt der Befüllungsstand laut AGSI, einer europäischen Plattform, die die genauen Lagerstände erfasst, derzeit nur bei 50 Prozent. Normalerweise liegt dieses Niveau Anfang September bei 60 bis 80 Prozent.
Wie sehr die österreichischen Haushalte die aktuelle Preisrallye zu spüren bekommen werden, lässt sich noch nicht genau sagen.
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