Dieses Mal sollen sie richtig schmerzen – die neuen Sanktionen gegen Europas „letzten Diktator“, den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko und die von ihm kontrollierte Staatsindustrie. Die gestern von den 27 EU-Außenministern in Luxemburg gebilligten Strafmaßnahmen zielen gegen das wirtschaftliche Rückgrat des Landes.
Vom westlichen Flugverkehr ist Weißrussland seit einem Monat bereits abgeschnitten. Zur Erinnerung: Die weißrussische Führung hatte im Mai ein Passagierflugzeug entführt, in Minsk zur Landung gezwungen und den jungen Blogger Roman Protassewitsch sowie dessen Freundin in ein Gefängnis geworfen.
Die EU reagierte sofort: EU-Maschinen dürfen den weißrussischen Luftraum seither nicht mehr überfliegen, belarussische Maschinen nicht mehr in der EU landen.
Doch Diktator Lukaschenko schien dies bisher wenig zu stören. Er suchte Rückendeckung bei Russlands Präsidenten Putin. Für eine Freilassung der zahlreichen verhafteten Regimegegner und den Stopp der Repressionen, wie sie die EU verlangt, gibt es keinerlei Anzeichen.
Handelsverbote
Die EU, nach Russland derzeit wichtigster Handelspartner für das autoritäre Regime in Minsk, legt nun nach. Die sieben wichtigsten Wirtschaftssektoren in Belarus sollen die Härte der EU zu spüren bekommen:
Im Bereich der Telekommunikation wird es ein Exportverbot für Überwachungsgeräte und damit verbundenes Equipment geben. Ausfuhrverbote gelten künftig auch für Waffenlieferungen, Einschränkungen gibt es zudem bei Tabakwaren.
Besonders schmerzen aber dürfte die weißrussische Führung die Handelsbeschränkungen im Öl- und Petrochemiesektor: Bis zu vier Milliarden Dollar verdiente Belarus bisher jährlich mit dem Verkauf von Raffinerieprodukten.
Und der nächste Schlag: Auch Pottasche (Kaliumkarbonat) wird die EU nicht mehr aus Weißrussland einführen. Die Kali-Produktion zählt zu einem der beiden wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes. Sie sind fest in staatlicher Hand.
Zu massiven Restriktionen wird es schließlich auch im Finanzsektor kommen: Weißrussland wird vom Westen keine neuen Kredite erhalten, es gilt ein Wertpapierhandelverbot und Verbot von Investmentservices.
Das wird auch Folgen für die in Weißrussland tätige Raiffeisen Bank International (RBI) haben – immerhin rund ein Fünftel ihres Kreditportfolios bezieht sich auf staatliche Unternehmen. „Kredite im Privatbereich, für klein- und mittelständische Unternehmen oder die Zivilgesellschaft“ aber sollen weiter möglich bleiben, sagte Außenminister Alexander Schallenberg: „Sanktionen müssen zielgerichtet sein und die treffen, die wir treffen wollen.“
Ob die jüngste Sanktionsrunde Wirkung zeigt, bleibt abzuwarten. Falls nicht, warnte Deutschlands Außenminister Heiko Maas, „sind wir noch nicht am Ende der Fahnenstange“.
Mit dem neuen Sanktionspaket reagiert die EU auf die anhaltenden Repressionen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition seit der Präsidentenwahl am 9. August 2020. Bei den Protesten gab es mehrere Tote, Hunderte Verletzte und Tausende Festnahmen. Menschenrechtler kritisieren Folter in den belarussischen Gefängnissen. Österreich stehe in Solidarität mit den demokratischen Kräften in Belarus, betonte Schallenberg erneut am Montag. Er forderte abermals die Freilassung von Protassewitsch und anderer politischer Gefangener.
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