Von Adenauer bis Merkel: Die deutschen Kanzler

Angela Merkel
Eine Bilanz vor der deutschen Bundestagswahl.

Der gelernte Österreicher geht selbstverständlich davon aus, dass "unsere" Nationalratswahl am 15. Oktober die wichtigste Wahl des Jahres ist. Im Rest der Welt sieht man das naturgemäß etwas anders, dort hat die deutsche Bundestagswahl am kommenden Sonntag schon wegen der Größe des Landes weit mehr Gewicht. Angela Merkel ist der erst achte deutsche Regierungschef nach dem Zweiten Weltkrieg, (Christian Kern bereits Österreichs dreizehnter Kanzler). Die deutschen Regierungen zeichnen sich also durch große Kontinuität aus.

Der erste Kanzler

Diese Kontinuität begann mit Konrad Adenauer. Während Österreich gleich 1945 den ersten Kanzler bekam, sollten bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland nach dem Ende des Hitler-Regimes vier Jahre vergehen. Bis dahin übernahmen die alliierten Besatzungsmächte die Regierungsgewalt, erst 1949 wird Adenauer, der frühere Oberbürgermeister von Köln, zum Bundeskanzler gewählt: Adenauer, in der Nazizeit mehrmals inhaftiert, ist bei seiner Angelobung bereits 73 Jahre alt und legt sich von Anfang an fest, dass Deutschland im westlichen Bündnis verankert sei und nach den Regeln der sozialen Marktwirtschaft geführt werde. In der Innenpolitik stellt er die Weichen zum Wiederaufstieg des zerstörten Landes, außenpolitisch gelingt ihm die Versöhnung mit Frankreich, den USA und Israel.

Als die DDR-Führung 1961 mit dem Bau der Mauer beginnt, erkennt Adenauer, dass der von ihm eingeschlagene Weg der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten gescheitert ist. Zwei Jahre später wird "der Alte", wie er im ganzen Land genannt wird, von seiner eigenen Partei zum Rückzug gedrängt, nachdem im Zuge der Spiegel-Affäre mehrere Redakteure des Magazins aufgrund eines kritischen Artikels wegen angeblichen Landesverrats verhaftet wurden.

Adenauer ist, als er 1963 gegen seinen Willen in Pension geht, 87 Jahre alt, er bleibt bis zu seinem Tod im Alter von 91 Jahren Bundestagsabgeordneter.

Von Adenauer bis Merkel: Die deutschen Kanzler
ABD0003_20151118 - ARCHIV - Das Foto der neuen Bundeskanzlerin Angela Merkel wird am 23.11.2005 in der Gaststätte «KanzlerEck» in Berlin neben den Porträts der bisherigen deutschen Bundeskanzler aufgehängt - v.l. oben: Konrad Adenauer (CDU), Ludwig Erhard (CDU), Georg Kiesinger (CDU), Willy Brandt (SPD), v.l. unten: Helmut Schmidt (SPD), Helmut Kohl (CDU), Gerhard Schröder (SPD). Merkel war am Vortag vom Bundestag zur ersten deutschen Bundeskanzlerin gewählt worden. Foto: Jens Büttner/dpa (zu dpa Themenpaket Angela Merkel zehn Jahre Bundeskanzlerin) +++(c) dpa - Bildfunk+++

LeichtgewichtSolange sein Nachfolger Ludwig Erhard im Amt ist, macht ihm der mittlerweile zur Legende gewordene Adenauer das Leben zur Hölle. Der greise Altkanzler attackiert den Parteifreund öffentlich und hinter seinem Rücken in der CDU. Tatsächlich war Erhard in Adenauers Kabinett ein profunder Wirtschaftsminister, der bis heute als "Vater des deutschen Wirtschaftswunders" gilt, für den Posten des Regierungschefs erweist er sich aber als zu schwach. Wie er bleibt auch sein Nachfolger Kurt Georg Kiesinger nur drei Jahre im Amt und geht als politisches Leichtgewicht in die Geschichte ein. Kiesinger war der einzige Kanzler der Bundesrepublik, der Mitglied der NSDAP gewesen ist.

Kniefall in WarschauWilly Brandt ist der erste Sozialdemokrat an der deutschen Regierungsspitze. Wie sein Freund Bruno Kreisky in Österreich setzt er auf Reformen, insbesondere in der Sozial-, Bildungs- und Rechtspolitik. Außenpolitisch geht er den Weg einer Entspannung mit dem Osten, als er die Grenze zur DDR anerkennt. Seine Geste, am 7. Dezeber 1970 mit einem Kniefall einen Kranz am Ehrenmahl des Warschauer Ghettos niederzulegen und in stiller Trauer zu verharren, wird in aller Welt als Zeichen der Versöhnung empfunden. Im Jahr darauf wird Brandt der Friedensnobelpreis verliehen.

Von Adenauer bis Merkel: Die deutschen Kanzler
epa05019644 An archive image made available on 10 November 2015 of then German Chancellor Helmut Schmidt smoking during a press conference in Bonn, Germany, 12 March 1980. Former German chancellor Helmut Schmidt has died on 10 November 2015 at the age of 96 in Hamburg. Schmidt led West Germany from 1974 to 1982 and is best known for his fight against domestic terrorism and as one of the architects of the euro currency. Described by some as Germany's 'most prominent chain smoker,' Schmidt has repeatedly suffered from health problems and was on his fifth pacemaker EPA/PETER POPP

Spion im Kanzleramt

Sein politisches Ende verdankt er vor allem dem Auffliegen des Kanzlerberaters Günter Guillaume als DDR-Spion. Brandt tritt zurück, erlebt aber noch den Fall der Berliner Mauer, den er mit den Worten "Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört", kommentiert.Willy Brandts Nachfolger ist Helmut Schmidt, dessen Amtszeit durch den RAF-Terror und die Ölkrisen der 1970er-Jahre geprägt ist, er erwirbt sich als Krisenmanager über alle Parteigrenzen hinweg Ansehen, scheitert jedoch mit seiner sozialliberalen Koalition, als die FDP zur CDU/CSU wechselt.Das Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt katapultiert Helmut Kohl an die Regierungsspitze. Er setzt eine Reform der Einkommenssteuer durch und schreibt als Kanzler der Einheit Geschichte. Er ist es, der 1989/’90 die deutsche Wiedervereinigung schafft. Und er ist der mit einer Amtszeit von 16 Jahren bis heute längstdienende deutsche Regierungschef. Überschattet ist Kohls politische Karriere von einer Parteispendenaffäre, die erst nach seinem Rücktritt aufgedeckt wird und in deren Folge sich Kohl mit vielen Wegbegleitern – auch mit Angela Merkel – überwarf.

Aus dem Amt gewählt

Es ist Gerhard Schröder, der Langzeitkanzler Kohl aus dem Amt drängt. Was von ihm bleibt, ist "Hartz-IV", ein Konzept, das die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland effizienter gestaltet und die staatliche Arbeitsvermittlung reformiert. Von vielen als Schritt in die richtige Richtung gesehen, erweisen sich die Maßnahmen als unpopulär und verhelfen Angela Merkel zu einer knappen Mehrheit im Bundestag.

Heute ist die erste Frau im Kanzleramt hochgeschätzt. Und das trotz heftigem Gegenwind, auch aus der Schwesterpartei CSU, die ihre Asylpolitik ("Wir schaffen das") als "Willkommenspolitik" verurteilt. Mittlerweile hat Deutschland die Folgen der Finanz- und Eurokrise des Jahres 2008 überwunden und verzeichnet wieder hervorragende Wirtschaftsdaten und sinkende Arbeitslosenzahlen.Trotz aller Probleme zweifelt kaum jemand daran, dass "Mutti", wie die Deutschen Angela Merkel gerne nennen, nach der Wahl am 24. September Kanzlerin bleiben wird.

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