Dafür aber den Optiker. Herr Gladio Colantoni kann sich an den Kardinal gut erinnern. Immer wieder sei er gekommen. Wegen der Brillen, aber nicht nur. „Wenn er kam, ganz schlicht gekleidet, mit seiner schwarzen Baskenmütze auf dem schlohweißen Haar, trug er meistens eine große Tasche voller Bücher mit sich“ erzählt Colantoni dem KURIER.
Er habe gerne geplaudert, sei ein aufmerksamer Zuhörer und ausgesprochen gesellig gewesen. „Ich weiß, das klingt für viele, die ihn erst als Papst wahrgenommen haben, befremdlich. So war er aber. Er kam ins Geschäft und grüßte mit einem ,Hallo ragazzi‘ mich und meinen Bruder. Für uns war er eine Art Großvater.“
Ein paar Meter weiter in Borgo Pio und dann links in der Via del Falco hat Frau Sarah ihr Antiquitätengeschäft. „Ich habe ihn als Kind oft gesehen, wenn er hier in der Nähe die Katzen fütterte. Er hatte eine Vorliebe für sie, daher auch der Spitzname, der Kardinal der Katzen.“
Der Optiker rät, unbedingt mit dem Schuster, der Ratzingers rote Kardinalsschuhe handanfertigte, zu sprechen. Die Rede ist von Herrn Antonio Arellano, gebürtiger Peruaner. Er hatte eine große Nähe zu Ratzinger und will nicht sprechen – zu nahe geht ihm offenbar der Tod des emeritierten Papstes.
Die Spurensuche geht weiter. Entlang Borgo Vittorio, richtet sich der Blick auf eine Vitrine mit einem weißen Talar. Auf einem Zettel steht: „Einer der letzten päpstlichen Talare von Benedikt XVI“.
Gleich daneben ist die Schneiderei Lavs (eigentlich Laus, also Anpreisung). Da hängen die schönsten Talare, die man als Laie je zu Gesicht bekommen hat, schneeweiße, purpurrote und goldene. Die Schneiderei gibt es seit 22 Jahren, erzählt der Eigentümer Filippo Sorcinello. Sie hat immer wieder für Benedikt XVI. die Talare für besondere Anlässe angefertigt. „Und die Mitra, die er aufgebahrt trägt, ist auch von uns.“
Ab und zu erfasste den Kardinal die Sehnsucht nach seinem bayrischen Zuhause. Und da ging er dann in die Cantina Tirolese, die sich, man könnte von einer himmlischen Fügung sprechen, keine 500 Meter von seinem Haus, befindet. Es ist ein typisches Tiroler Lokal. Eröffnet wurde es 1971 von den Österreichern Gerti und Roberto Macher, danach von der Tochter Manuela geleitet.
Heute wird sie von ihrem Lebensgefährten Mario Notari und Riccardo Macher weitergeführt. „Ratzinger kam vorwiegend alleine“ erzählt Herr Notari. „Er war eine unglaublich reservierte und sanfte Person. Als er zum Papst ernannt wurde, fragten sich Manuela und ich: Wie kann eine so reservierte Person zur Welt sprechen?“
Ratzingers Stammtisch war in einer ruhigen Ecke, etwas abseits von den anderen. Gewidmet wurde ihm dann der große Tisch, wo er Platz nahm, wenn er mit Gästen kam. Der Tisch ist leicht auszumachen. Auf der Holztäfelung findet sich ein Schild mit einer Widmung, darüber hängen Fotos von ihm. Zur Tradition war es geworden, dass ihm die Cantina zum Geburtstag immer einen Apfelstrudel schickte.
Kommentare