Visumstopp für Russen: Wer dafür ist und wer dagegen

Grenzübergang zwischen Estland und Russland
Die Frage spaltet die EU. Befürworter drängen auf einheitliches Vorgehen, Gegner warnen vor Kollektivhaftung im Ukraine-Krieg

Die Europäische Union streitet über Verschärfungen der Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs. Gänzlich uneins ist man bei der Frage über einen möglichen Einreisestopp für russische Urlauber. Während Estland und Finnland vorgelegt haben, warnen der deutsche Kanzler Olaf Scholz und die österreichische Regierung davor, Russen kollektiv haftbar zu machen. Am Dienstag beraten die EU-Außenminister in Prag über das Thema.

Worum geht es?

Die Ukraine hat die EU aufgerufen, ihre Grenzen für Russinnen und Russen dicht zu machen. "Die Russen unterstützen massiv den Krieg und applaudieren den Raketenangriffen auf ukrainische Städte und der Ermordung von Ukrainern", kritisierte Außenminister Dmytro Kuleba.

Wer unterstützt den Vorstoß?

Die EU-Länder Estland, Lettland und Finnland haben weitgehende Einreiseverbote für Russen angekündigt oder bereits umgesetzt. "Europa zu besuchen ist ein Privileg, kein Menschenrecht", begründet dies die estnische Regierungschefin Kaja Kallas. Die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin nannte es "ungerecht", dass Russen in Europa Urlaub machen können, "während Russland Menschen in der Ukraine tötet".

Auch einzelne deutsche Politiker befürworten den Visumstopp - so der CSU-Europapolitiker und Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber. Er nannte es in der ARD "schwer vorstellbar, dass wir gleichzeitig Flüchtlinge aus der Ukraine haben und Russen, die hier das Leben genießen".

Was sagen die Kritiker?

Scholz warnte, ein genereller Visum-Bann für Russen würde auch "ganz Unschuldige" treffen und nicht nur Kriegsbefürworter. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nannte es "keine gute Idee", Russen unterschiedslos die Einreise zu verwehren.

Das österreichische Außenministerium erklärte auf AFP-Anfrage zuletzt, mit einem allgemeinen Visumstopp wären "noch vorhandene Kontakte zu der russischen Zivilgesellschaft kaum mehr möglich". Zudem sei der Vorstoß bei den Anstrengungen gegen russische Desinformation "kontraproduktiv". Denn in der EU könnten Russen erfahren, was ihr Militär in der Ukraine wirklich tue.

Um wie viele Russen geht es überhaupt?

Der estnische Rundfunksender ERR berichtet unter Berufung auf die EU-Grenzschutzagentur Frontex, seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine am 24. Februar habe es fast eine Million legaler Einreisen russischer Staatsbürger in die EU gegeben. Rund 60 Prozent von ihnen seien über die benachbarten EU-Länder Estland und Finnland erfolgt.

Welche Visa stehen auf dem Prüfstand?

Es geht vor allem um Schengen-Visa, die 22 der 27 EU-Länder sowie Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein für den gemeinsamen Raum ohne Grenzkontrollen ausstellen. Damit können sich Visum-Inhaber für bis zu 90 Tage im Gebiet aller Mitgliedstaaten aufhalten. Daneben können die einzelnen EU-Staaten auch nationale Visa für längere Aufenthalte erteilen. Im vergangenen Jahr stellten 536.000 Russen Anträge für Schengen-Visa, nur drei Prozent wurden abgelehnt.

Wie lässt sich die Ablehnung begründen?

Ein Visum-Antrag kann etwa bei der Vorlage gefälschter Dokumente abgelehnt werden oder wenn Reisende "eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit (...) oder die internationalen Beziehungen eines oder mehrerer Mitgliedstaaten darstellen", wie es auf einer Webseite des Auswärtigen Amts heißt.

Würde der Visumstopp auch Kreml-Kritiker treffen?

Das ist nach Angaben der Befürworter nicht beabsichtigt. Vorgesehen sind Ausnahmen für russische Dissidenten sowie Arbeitnehmer und Studenten, die in die EU kommen wollen. Die russischen Hauptverantwortlichen für den Ukraine-Krieg gelten in der EU ohnehin als unerwünschte Personen: Gegen mehr als 1200 haben die Mitgliedsländer Einreisesperren verhängt. Zu ihnen zählt Präsident Wladimir Putin.

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