Ruf nach Einreiseverbot für Russen wird laut, Österreich ist dagegen

Grenzstation in Finnland: Russen müssen ihre Pässe und Visa zeigen
Knapp 1.300 Russen kamen zuletzt jeden Tag mit einem Touristenvisum nach Estland. Und damit stand ihnen der Weg in fast alle Länder Europas offen: Der Inhaber eines sogenannten Schengen-Visums darf sich in 26 europäischen Ländern bis zu 90 Tage lang aufhalten. Doch seit gestern, Donnerstag, ist damit Schluss: Selbst russische Besitzer solch eines Touristenvisums dürfen nicht mehr in die kleine baltische Republik einreisen – ausgenommen sind nur Russen mit Verwandten, die in Estland leben.
Forscher als jedes andere Land in Europa geht die Regierung in Tallin damit vor, auch einfache russische Bürger für den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zur Verantwortung zu ziehen. „Europa zu besuchen, ist ein Privileg, kein Menschenrecht“, schreibt Estlands Regierungschefin Kaja Kallas auf twitter. Und ihre finnische Amtskollegin Sanna Marin legte nach: „Ich finde es nicht richtig, dass russische Bürger als Touristen in die EU, den Schengen-Raum einreisen und Sightseeing machen können, während Russland Menschen in der Ukraine tötet.“
Ab September wird Finnland deswegen keine Schengen-Visa mehr an Russen ausstellen. Die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie Tschechien haben bereits damit begonnen, die Genehmigung von Schengen-Visa einzuschränken.
Ein grundsätzlicher Einreisebann für alle russischen Bürger ist allerdings in der EU rechtlich keine Option. Jeder Antrag müsse einzeln von den EU-Staaten geprüft werden, heißt es dazu aus der EU-Kommission in Brüssel.
„Ausgesperrt“
Für Österreich steht jedenfalls fest: Einem Einreisestopp für russische Bürger wird sich Wien nicht anschließen. „Mit einem allgemeinen Visastopp wären noch vorhandene Kontakte zur russischen Zivilgesellschaft kaum mehr möglich“, heißt es dazu auf KURIER-Anfrage aus dem Außenministerium: „Damit würden die Zivilgesellschaft und Oppositionelle, aber auch etwa Angehörige von Österreichern aus der EU ausgesperrt.“
Im Gegenteil hätten einreisende Russen, so eine Ministeriumssprecherin, „bei Reisen in die EU die Chance, zu erfahren, was das russische Militär in der Ukraine tut – während es in Russland selbst ja ein Nachrichtenembargo gibt.“ Zudem stünden derzeit bereits 1.200 Russen auf der EU-Sanktionsliste – sie dürfen ohnehin nicht in die EU einreisen.
Auch in Deutschland bleibt ein Visum-Stopp für Russen ausgeschossen: Es sei schließlich Putins Krieg gegen die Ukraine und nicht der Krieg der russischen Bevölkerung, verwahrte sich der deutsche Kanzler Olaf Scholz gegen Visa-Sperren. Beim Treffen der EU-Außenminister Ende August in Prag soll das heikle Thema dennoch diskutiert werden.
Russland ist das Land, aus dem die meisten Anträge für ein Kurzzeit-Visum im Schengenraum kommen. Im Vorjahr waren es laut EU-Kommission coronabedingt zwar nur rund 536.000 Ansuchen. Vor der Pandemie 2019 wurden aber noch mehr als vier Millionen Anträge gestellt.
Zu den Schengen-Staaten zählen alle EU-Länder bis auf Irland, Kroatien, Bulgarien und Rumänien. Andererseits gehören Island, Norwegen und die Schweiz zum Schengenraum.

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