Warum beim Thema Sanktionen niemand über Putins Uran redet

Russlands Präsident Wladimir Putin
Von der Abhängigkeit von russischem Öl und Gas will sich die EU befreien. Aber Uran aus Russland bleibt unter dem Radar

Wenn Europa darüber nachdenkt, welche Unternehmen oder Sektoren es in Russland wegen des Krieges unter Sanktionen stellen könnte, fällt ein Name nie: Rosatom – die staatliche Atomenergiegesellschaft Russlands.

Die von Wladimir Putin vor 15 Jahren gegründete Organisation umfasst neben dem riesigen Atomwaffenkomplex des Landes auch weltweit Dutzende zivile Unternehmen. Sie ist der zweitgrößte Produzent von Uran weltweit – und damit unverzichtbar für viele Staaten, in denen Atomkraftwerke stehen. Noch mehr Uran als Rosatom fördert nur noch der kasachische Konzern Kazatomprom.

In Russland selbst holt die direkt dem Kreml unterstellte Rosatom nur sechs Prozent der weltweiten Uranproduktion aus den Minen.

Warum beim Thema Sanktionen niemand über Putins Uran redet

Putin und Rosatom-Chef Alexej Lichatschow (r.)

Doch der Konzern ging auf globale Einkaufstour: Er besitzt heute Abbaugebiete in den USA, Kanada, Afrika und Australien. Europa bezog im Vorjahr für seine 103 Atom-Reaktoren mehr Uran von Rosatom als von jedem anderen Lieferanten: Rund ein Fünftel aller Uranimporte. Selbst die USA holen 16 Prozent ihrer Uranlieferungen aus Russland.

Landeerlaubnis

Noch gravierender ist die Abhängigkeit von russischen Brennelementen. Besonders die Atomkraftwerke in Ungarn, der Slowakei, Bulgarien und Tschechien brauchen die typischen, sechseckigen Brennelemente aus Russland. So groß war die Not bereits, dass russische Transportflugzeuge im März und April trotz EU-Luftraumsperre wegen der Sanktionen in der Slowakei und Ungarn landen durften: Ohne neue Brennstäbe der Rosatom hätten die Reaktoren heruntergefahren werden müssen.Aber auch die europäische Atomgroßmacht Frankreich bezieht Uran aus Russland. Den Großteil ihres Bedarfs am unverzichtbaren Rohstoff bezieht Paris allerdings aus dem afrikanischen Niger.

Finnland und Deutschland haben seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ihre Geschäftsbeziehungen zu Rosatom abgebrochen.

Doch in den meisten anderen europäischen Staaten kann davon keine Rede sein: Zu hoch ist die Abhängigkeit von Russland, die Atomkraftwerke am Laufen zu halten.

Warum beim Thema Sanktionen niemand über Putins Uran redet

Die EU will sich zwar von ihrer russischen Energieabhängigkeit befreien: Ab August wird keine russische Kohle mehr nach Europa kommen, bis Jahresende sollen die Ölimporte um 90 Prozent sinken. Selbst beim Gas sollen die Importe zu zwei Drittel aus anderen Ländern kommen. Doch das russische Uran für die Atomkraftwerke bleibt unter dem Radar.

Renaissance

Und das hat auch noch einen anderen Grund: Beim Umstieg auf eine Kohlendioxid-arme Produktion erlebt die Atomkraft in Europa eine Renaissance. Frankreich will sechs neue Reaktoren bauen, einige andere EU-Staaten überlegen von schmutziger Kohle- direkt auf Atomkraft umzusteigen.

"Grüne Atomkraft"

Dabei erhielten diese Pläne nun indirekte Unterstützung vom EU-Parlament: Es stufte am Mittwoch bei einer Abstimmung Atom- und Gaskraft als „nachhaltige“ Technologie-Formen ein. Damit ist der Weg für Förderungen für den extrem teuren Bau von Atomkraftwerken frei.

Vorangetrieben wurde diese Entscheidung auch durch den Einfluss mächtiger Atomlobby-Gruppen in Brüssel. Greenpeace listet explizit eine Firma auf, die sich vehement dafür einsetzte, dass Atomkraft künftig in der EU als „grüne“ Energie und damit als förderungswillig gilt: Rosatom

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