EU-Parlament: Atom und Gas bekommen ein "grünes Pickerl"

EU-Parlament: Atom und Gas bekommen ein "grünes Pickerl"
Bei einer Kampfabstimmung im EU-Parlament wurde entschieden: Wer in Gas- oder Atomkraft investiert, gibt sein Geld für "klimafreundliche Technologien" aus. Österreich wird dagegen klagen

Bis zuletzt, zur Abstimmung gegen Mittwoch Mittag, wurde im EU-Parlament in Straßburg um jede Stimme gerungen: Es ging um die von der EU-Kommission vorgeschlagene Taxonomie-Regelung. Darin wird als Orientierungshilfe an private Geldgeber aufgelistet, welche Technologien als nachhaltig im ökologischen Sinn gelten. Der große Streitpunkt dabei: Auch Atomkraft und fossiles Gas will die Brüsseler Behörde als "grün" bezeichnen - das soll das Fließen von Finanzströmen auch in diese Richtung erleichtern.

Dagegen mobilisierten die Gegner der Taxonimie noch einmal alle ihre Kräfte: Alle 19 österreichischen Abgeordneten haben parteiübergreifend gegen die Taxonomie gestimmt. Auch die Mehrheit der Grünen, Sozialdemokraten und der Linksfraktion gab an, dagegen votiert zu haben.

"Dass Investitionen in Atomkraft und Gas als nachhaltig bezeichnet und mit grünem Mascherl versehen werden, das darf nicht sein", sagt Othmar Karas, Vizepräsident des EU-Parlaments. "Atomkraft kann niemals eine grüne, nachhaltige Energiequelle sein, und auch die fossilen Energieträger wie Gas müssen auslaufen." Man dürfe beide Technologie nicht mit einem Nachhaltigkeitslabel adeln. "Das ist ein Schuss ins Knie der eigenen politischen Zielsetzungen", mahnt Karas.

Das Ziel: Senkung der Treibhausgase in der EU um 55 Prozent bis 2030, aber auch das Ende der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland.

Klage beim EuGH

Wie angekündigt will Umweltministerin Leonore Gewessler nun gegen die Taxonomie-Regelung vor dem Europäischen Gerichtshof klagen.„Wir haben uns in den letzten Wochen und Monaten bereits intensiv auf diesen Fall vorbereitet und werden unsere Klage im Rahmen der dafür vorgesehenen Frist einreichen“, hieß es am Mittwoch in einer Aussendung.

EU-Parlament: Atom und Gas bekommen ein "grünes Pickerl"

Europäischer Gerichtshof in Luxemburg

Die Entscheidung zur Taxonomie-Verordnung werde dem Green Deal und den europäischen Bemühungen für eine gute und klimafreundliche Zukunft nicht gerecht, rechtfertigte Gewessler. „Sie ist weder glaubwürdig, ambitioniert noch wissensbasiert, gefährdet unsere Zukunft und ist mehr als verantwortungslos.“

Österreich werde laut der Ministerin, sobald dieses „Greenwashing-Programm“ inkrafttrete, die bereits vorbereitete Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof einbringen.
Auch Luxemburg hat bereits zugesagt, sich an einer Klage zu beteiligen.

Gas aus Russland

Zuletzt hatte der russische Krieg gegen die Ukraine den Gegnern der Taxonomie neue Argumente geliefert: Grüne Labels für Gaskraftwerke würde automatisch auch bedeuten, weiterhin Gas aus Russland zu beziehen. Doch es nützte wenig: Die Mehrheit der EU-Abgeordneten legte keinen Widerspruch gegen die Taxonomie-Regelung ein.

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Die Einstufung von Gaskraftwerken als nachhaltig war als Zugeständnis an Deutschland gedacht, dessen Stromversorgung stark von den Lieferungen aus Russland abhängt. Die Vorgaben für Atomkraftwerke gingen wiederum auf den Wunsch Frankreichs zurück. Das Land verfügt über 56 Atomreaktoren, sechs weitere sollen demnächst gebaut werden. Dafür braucht Frankreich mindestens 50 Milliarden Euro.

Wer braucht die Taxonomie?

Umweltfaktoren haben für Firmenbewertungen und Finanzinstrumente an großer Bedeutung gewonnen. Seit Jahren ringt die EU um eine Klassifizierung für EU-weit einheitliche Kriterien, die bestimmen sollen, welche Investitionen sich als nachhaltig deklarieren dürfen.

Das soll dabei helfen, die für die Klimawende benötigten Milliarden zu mobilisieren. Festgelegt wird dies in der sogenannten Taxonomie. Sie ist  also eine Art Orientierungshilfe für private Geldgeber, sie verpflichtet aber zu nichts.
In erster Linie richtet sich die Taxonomie an die Finanzbranche. Sie soll unter anderem bei Fonds transparent machen, inwieweit bei den Produkten die Leitlinien beachtet werden. Zudem müssen größere Konzerne darüber berichten, wie klimafreundlich sie sind.

Wissenschaftler*innen forschen an einer Alternative zu Siliziumsolarzellen

Solarpanels: in der Taxonomie als "nachhaltig" eingestuft

Was genau ein grünes Investment ausmacht, ist nicht so einfach zu definieren. Drei Kategorien wurden  festgelegt:

Unterschieden wird nach direkt grünen Projekten wie Solaranlagen, indirekt grünen Projekten wie beispielsweise Speicher für erneuerbare Energien, und sogenannten Brückentechnologien. Damit sind Investitionen gemeint, die zwar nicht direkt grün sind, aber die deutlich geringere Emissionen nach sich ziehen als herkömmliche Technologien.

In der von der EU-Kommission vorgelegte Taxonomie fanden sich Atomkraft und Gas unter gewissen Bedingungen als „grüne“ Investition. Darunter sollten etwa bis 2045 erteilte Genehmigungen für neue Atomkraftwerke fallen.

Umweltorganisationen liefen dagegen Sturm. Atomenergie sei zu teuer und unwirtschaftlich, um einen relevanten Beitrag zur globalen Energieerzeugung zu leisten. Hinzu komme das Sicherheitsrisiko und die ungelösten Lagerprobleme des  radioaktiven Abfalls.

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