Viel Ärger statt Flitterwochen für Boris Johnson
„Das strahlende Paar wirkte voneinander betört“, wusste The Sun nach der geheimen Wochenend-Trauung des britischen Premiers Boris Johnson, 56, und seiner Gattin Carrie, 33, zu berichten.
Aber ob sie viel Zeit zum Feiern haben werden, ist fraglich. Denn Johnsons dritte Hochzeit könnte laut Experten trotz flotten Impfens Hand in Hand mit einer dritten Corona-Welle im Land einhergehen. Und auch anderweitig stehen ihm statt Flitterwochen Arbeit und politische Turbulenzen ins Haus.
Noch am Tag vor dem „Ja“-Wort hatte der Premier eine Rüge erhalten. Laut des Berichts eines Beraters habe er sich „unklug“ nicht genug um Finanzierungs-Details der Renovierung seiner Dienstwohnung gekümmert. Die Wahlkommission untersucht den Fall noch.
Davor hatte Ex-Berater Dominic Cummings ihm vorgeworfen, er sei „ungeeignet“, die Regierung zu führen und habe die Pandemie anfänglich total unterschätzt.
Negative Schlagzeilen
Das Resultat: Johnson erwachte nach der Hochzeitsnacht mit Schlagzeilen, dass der Vorsprung seiner konservativen Tories in einer Opinium-Umfrage von 13 auf sechs Prozentpunkte geschrumpft sei. Seine Führung auf Labour Partei-Chef Keir Starmer als bester Premier schmolz von 17 auf sechs Prozentpunkte. Die Ausbreitung der ansteckenderen indischen Corona-Variante knabbert auch seinen Impfbonus an. Nur noch 40, statt letztens 47 Prozent der Briten befürworten seine Corona-Politik, ebenso viele missbilligen sie.
Johnsons Geheimhochzeit verwunderte, viele sehen darin ein Zeichen, dass das für 21. Juni geplante Ende aller Corona-Restriktionen in England verschoben werden müsse.
Aber manche Experten warnen, Großbritannien befinde sich bereits in der dritten Welle. In den letzten sieben Tagen wurden 22.474 Neuinfektionen gemeldet, 27 Prozent mehr als in der Vorwoche. „Es sieht sehr danach aus, als wären wir früh in einer dritten Welle“, sagte Prof. Martin McKee von der Londoner Schule für Hygiene und Tropenmedizin dem Guardian.
Öffnung ist Risiko
„Wenn es kein Wunder gibt, ist eine weitere Öffnung ein großes Risiko“. Auch Prof. Ravi Gupta, Regierungsberater und Mikrobiologe an der Cambridge Universität, riet im BBC-Radio wegen des „exponentiellen Wachstums“ der indischen Variante trotz niedriger Sieben-Tage-Inzidenz von 27 zu längerem Abwarten. „Unsere Sorge ist ein falsches Sicherheitsgefühl“.
Die Regierung will jetzt so manche Zweitimpfung in England vorziehen, um alle über-50-Jährigen bis 21. Juni abzudecken. Aber Experten sagen, dass die volle Öffnung auch dann um einige Wochen verschoben werden müsste, um höchste Immunität zu sichern. Laut bisherigen Daten ist, nach zwei Dosen, AstraZeneca etwa 60 Prozent und Pfizer 88 Prozent gegen die Mutante effektiv. Kein Wunder also, dass Medien von einem „Wettlauf mit der Zeit“ sprechen. Prof. Susan Michie, Gesundheitspsychologin am University College London, fasst die Lage so zusammen: „Wir stehen auf Messers Schneide“.
Georg Szalai, London
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