Vereinigtes Königreich? Brexit verschärft Spaltungstendenzen
Die Botschaft ist seit Jahren die selbe, aber Nicola Sturgeon trug sie mit mehr Selbstbewusstsein denn je vor. Die Schotten hätten das Recht, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, erklärte die schottische Regierungschefin: „Es ist Sache des schottischen Parlaments, ob und wann es ein neues Referendum geben soll, nicht die der Regierung in London.“
Was Sturgeon Rückenwind verleiht, ist der Wahlerfolg ihrer SNP. Schottlands Nationalisten haben 48 der 59 Sitze im Londoner Unterhaus erobert, die in Schottland vergeben werden. Der Ruf nach Unabhängigkeit ist politisches Grundprinzip der SNP. Bis Weihnachten will sie ein neues Referendum über diese Unabhängigkeit beantragen.
Zwar entschied sich bei der Volksabstimmung 2014 eine Mehrheit der Schotten für den Verbleib bei Großbritannien, doch seither hat sich einiges geändert. Nach Boris Johnsons Wahlsieg steuert das Land Richtung EU-Austritt. Die Schotten aber wollen da nicht mit. Im Norden des Königreichs ist eine klare Mehrheit für den Verbleib in der EU.
Offiziell will Johnson von einer neuen Abstimmung in Schottland nichts wissen. Er sei ein Premierminister für eine geeinte Nation, betonte er im Wahlkampf.
Doch ihren Wahlsieg haben die Konservativen in England eingefahren, mit einem politischen Umsturz in den einstigen Labour-Hochburgen im Norden Englands.
Schottland nicht mehr wichtig
Dort aber ist nicht nur eine klare Mehrheit für den Brexit. Man wäre für diesen Brexit – so zeigen aktuelle Umfragen – sogar bereit, einen bisher unvorstellbar hohen Preis zu bezahlen: Die Unabhängigkeit Schottlands.
Johnson hat in diesem Wahlkampf genau danach gehandelt: Der Brexit als einziges deklariertes Ziel hat seine Konservativen in Schottland Stimmen und Mandate gekostet, doch die Zugewinne in England haben die mehr als wettgemacht.
Auch in Nordirland fühlen sich die pro-britischen, protestantischen Parteien von London vernachlässigt. Johnsons Brexit-Deal mit der EU, der Kontrollen von Waren zwischen England und Nordirland zulässt, ist für sie der Anfang vom Ende ihrer Zugehörigkeit zu Großbritannien.
1000 Jahre werde das Vereinigte Königreich bestehen bleiben, hatte Johnsons großes Vorbild, Winston Churchill, einst prophezeit. Ausgerechnet Johnson könnte das zunichte machen. Die Macht in England aber, so der liberale Independent nach den Wahlen, sei den Tories dann für eine Generation sicher: „Boris Johnson könnte lange Premier bleiben, aber er könnte der letzte Premier des Vereinigten Königreiches sein.“
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