3 Zerstörer, tausende Soldaten: Warum Trump Kriegsschiffe in die Karibik schickt

Seit Jahren tobt ein ideologischer Streit zwischen den USA und Venezuela. Nun sorgt die Entsendung von US-Kriegsschiffen in die Region für zusätzliche Anspannung. Worum genau geht es in dem Konflikt? Wir haben die wichtigsten Konfliktpunkte zusammengestellt:
Warum ist der Konflikt zwischen den USA und Venezuela aktuell eskaliert?
Die US-Drogenfahndung und die Generalstaatsanwaltschaft werfen Nicolás Maduro vor, Kopf des Drogenkartells „Soles“ zu sein. Die Bande sei für Drogenschmuggel aus Südamerika in die USA und nach Europa verantwortlich. Die Kriegsschiffe sollen die Karibik überwachen und so den Drogenschmuggel unterbinden. Washington hat ein Kopfgeld in Höhe von 50 Millionen US-Dollar auf Nicolás Maduro ausgesetzt.
Wie reagiert Venezuela auf die US-Maßnahmen?
Die Regierung in Caracas mobilisierte die sogenannten zivil-militärischen Kräfte. Die Milizen und „Colectivos“, mit denen die Revolution „nach innen und nach außen“ verteidigt werden soll, sind bewaffnet.
Was wirft die US-Regierung Präsident Nicolás Maduro vor?
Neben den Vorwürfen des Drogenhandels gibt es aus Washington auch Anschuldigungen des Wahlbetrugs. Im Juli 2024 hatte sich Maduro erneut zum Sieger erklärt, obwohl internationale Wahlbeobachter – auch das von Maduro selbst eingeladene Carter-Menschenrechtszentrum – erhebliche Zweifel äußerten. Die Opposition kam laut eigenen Auszählungen zu einem klaren Wahlsieg. Washington wirft Maduro zudem vor, internationalen Terrorismus zu fördern. Unter anderem dient Venezuela als Rückzugsgebiet der linksextremen Guerillagruppen FARC und ELN aus Kolumbien, die wiederum selbst stark im Drogenhandel verstrickt sind.

Ist Maduro ein Diktator?
Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International werfen Maduro schwere Menschenrechtsverletzungen vor. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ermittelt gegen ihn wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Zu den Vorwürfen zählen Folter, Mord, das Verschwindenlassen von Oppositionellen und die Unterdrückung freier Medien.
Nach dem Tod des deutlich populäreren Revolutionsführers Hugo Chávez und Maduros Amtsantritt 2013 hat ein Viertel der Bevölkerung, rund acht Millionen Menschen, das Land verlassen. Hunderttausende haben versucht, in Richtung USA zu gelangen. Schon die krachende Wahlniederlage 2015 bei den Parlamentswahlen erkannte Maduro nicht an und ließ später frei gewählte oppositionelle Politiker aus dem Parlament prügeln.
Welche Folgen haben US-Sanktionen für die Bevölkerung und Wirtschaft von Venezuela?
Die meisten US-Sanktionen sind personenbezogen und betreffen die Führungsriege des linksextremen Regimes. Volkswirtschaftliche Folgen haben allerdings die Sanktionen gegen die Erdölwirtschaft. Venezuela gilt als ölreichstes Land der Welt, allerdings erlebte die Erdölindustrie bereits vor den US-Sanktionen einen Absturz. Die Sanktionen haben diesen Trend noch einmal verstärkt.
Welche Ziele wollen die USA in Venezuela erreichen?
Die USA streben an, dass der mutmaßlich von einer großen Mehrheit gewählte Präsident Edmundo González sein Amt endlich antreten darf. Damit soll auch die langanhaltende Migrationskrise beendet werden. Zudem gilt Venezuela als Partner von Russland und China. Eine González-Regierung wäre Washington freundlich gesinnt.
Geht es beim Konflikt zwischen den USA und Venezuela um Öl, Demokratie oder beides?
Die USA sind inzwischen selbst ein Erdölexportland, die Bedeutung des venezolanischen Öls hat deutlich abgenommen. Trotzdem spekulieren einige US-Konzerne darauf, nach einem Zusammenbruch des Maduro-Regimes in Caracas wieder Öl zu fördern. Notwendig wären dazu allerdings Milliardeninvestitionen in eine marode, heruntergewirtschaftete Ölindustrie, die für zahlreiche katastrophale Ölunfälle verantwortlich ist. Den US-Republikanern geht es auch um die Wiederherstellung der Demokratie – auch, weil die sozialismuskritischen Latino-Wähler erbitterte Kritiker des lateinamerikanischen Sozialismus sind. Der Drogenhandel ist zudem eine tatsächliche Bedrohung der inneren Sicherheit in den USA.
Warum ist Venezuela so arm, obwohl es so viel Öl hat?
Venezuela setzt auf ein überwiegend sozialistisch-planwirtschaftliches Volkswirtschaftsmodell. Während der Hochphase der hohen Ölpreise in den Jahren 2000 bis 2010 setzte der damalige Revolutionsführer darauf, die Einnahmen in Sozialprogramme zu investieren. Das war populär und brachte Chávez einige Wahlsiege. Damit wurden allerdings die strukturellen Ursachen der Armut nicht beseitigt, sondern nur die Symptome bekämpft. Als der Ölpreis sank, fehlten die Einnahmen für Investitionen und Geschäftsmodelle, die Venezuela unabhängiger vom Ölpreis gemacht hätten. Da die venezolanischen Sozialisten obendrein einen Großteil der Privatwirtschaft verstaatlichten, verließen Unternehmer und Kapital das Land. Bereits in der Chávez-Ära hatte der staatliche Erdölkonzern PDVSA tausende Fachkräfte entlassen und durch linientreue Parteisoldaten ersetzt, die loyal zur Partei standen, denen aber das fachliche Know-how fehlte.
Wem gehört das Öl in Venezuela?
Das Öl gehört dem venezolanischen Staat, der Lizenzen zur Förderung verteilt – unter anderem auch an US-Firmen.
Worum geht es beim Streit um die Ölregion Essequibo in Guyana?
US-Firmen haben vor wenigen Jahren im venezolanischen Nachbarland Guyana bemerkenswerte Ölvorkommen entdeckt. Seitdem hat Maduro Gebietsansprüche erhoben und bereits Landkarten drucken lassen, die ein Groß-Venezuela zeigen, das Essequibo als venezolanisch kennzeichnet. Die derzeitigen Grenzen zwischen Guyana und Venezuela wurden 1899 in einem Schiedsspruch eines Tribunals in Paris festgelegt, das die USA und Großbritannien veranlasst hatten. Venezuela beruft sich jedoch auf ein Abkommen mit London aus dem Jahr 1966 – wenige Monate, bevor die damalige Kolonie Britisch-Guayana unabhängig wurde. Dieses sah eine Verhandlungslösung vor. Guyana wiederum pocht auf seine Souveränität und weist jeden Anspruch Maduros zurück.
Welche Länder unterstützen die USA, welche Venezuela?
Venezuela wird von Russland, China, den lateinamerikanischen Diktaturen Kuba und Nicaragua sowie vom Iran unterstützt. Indirekt erhält Maduro Unterstützung durch Brasilien und Kolumbien. Bogotá schuf jüngst eine binationale Handelszone, was de facto einer Anerkennung der Regierung Maduros trotz der Wahlniederlage 2024 gleichkommt. Brasilien kritisiert die Entsendung der US-Kriegsschiffe. In Lateinamerika gibt es im konservativen und rechten Lager durchweg Unterstützung für die USA, die den bisherigen US-Regierungen Tatenlosigkeit im Umgang mit der venezolanischen Diktatur vorwerfen. Auch die venezolanische Opposition im Exil sowie in Venezuela selbst begrüßt die US-Aktion.
Gibt es eine Lösung oder Vermittlungsversuche im Konflikt?
Vermittlungsversuche sind bislang nicht bekannt. Eine Lösung wäre ein Rücktritt Maduros und Neuwahlen. Das ist aber zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich. Allerdings bröckelt die Rückendeckung für Maduro im eigenen Machtzirkel sowie von bisherigen ideologischen Unterstützern. Dazu zählen der argentinische Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel oder die der Linkspartei nahestehende deutsche Rosa-Luxemburg-Stiftung, die zunehmend auf Distanz gingen. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war die vorübergehende Verhaftung einer linken Aktivistin, die sich für politische Gefangene einsetzte.
Wie wahrscheinlich ist ein Krieg zwischen den USA und Venezuela?
Laut Evan Ellis, Experte für Lateinamerika-Studien am U.S. Army War College, sei die Entsendung dieser Militärkräfte zwar eine „enorme Aufstockung“. Der Umfang sei aber geringer, als man für eine vollständige Invasion und Besetzung eines Landes benötigen würde: „Bei den US-Operationen in Panama im Jahr 1989 waren die Streitkräfte viel größer“, sagt Ellis. Einen Krieg hält Militärexperte Ellis für unwahrscheinlich, aber nicht gänzlich ausgeschlossen. Die Militärpräsenz in der Region verfolge ein anderes Ziel, nämlich Maduro klarzumachen, „dass eine solche Operation überhaupt möglich ist.“
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