Wie das zusammenpasst mit Bidens Ansage von vor vier Jahren, er wolle als Übergangskandidat Trump verhindern und dann den Weg ebnen für jüngere demokratische Führungsfiguren? Da ist zunächst seine Bilanz. Sie ist besser, als es die miserablen Beliebtheitswerte spiegeln. Nur um die 42 Prozent sind mit ihm zufrieden, 53 Prozent nicht. Doch: Biden bekam die Corona-Pandemie in den Griff. Die Inflation sinkt. Der Arbeitsmarkt brummt. Zehn Millionen neue Jobs sind entstanden. Dazu die zwar abgespeckten, aber immer noch dreistelligen Milliarden-Investitionen in Infrastruktur, grünes Wirtschaften und Chip-Halbleiter-Industrie.
Auch sein Kurs im Krieg Russlands gegen die Ukraine findet breite internationale Zustimmung. North Carolinas Gouverneur Roy Cooper sagt es so: „Biden hat in zwei Jahren erreicht, was andere Präsidenten hoffen, in acht Jahren hinzukriegen.“ Umfragen legen Biden trotzdem konstant nahe: Lass andere ran.
Scheinwerfer auf Biden
Allein: Niemand aus der zweiten Reihe der Demokraten – vom jungen Transportminister Pete Buttigieg bis zu Gouverneurstalenten wie Gretchen Whitmer (Michigan) – lässt Ambitionen erkennen. Und das Format. Das liegt auch an der Macht des Amtsinhabers. Er hat die Netzwerke, die öffentlichen Plattformen und die Medienscheinwerfer für sich. Zwei demokratische Gegenkandidaten für die Vorwahlen, Robert F. Kennedy (Neffe von Ex-Präsident John F. Kennedy) und Marianne Williamson, sind nicht mal Staffage.
Die Plausibilität für einen zweiten Anlauf Bidens hat viel mit Trump zu tun. 2020 lag Biden sieben Millionen Stimmen vor dem Rechtspopulisten. Würde der, wonach es im Moment trotz strafrechtlicher Verstrickungen aussieht, 45. Präsident auch der republikanische Kandidat für die 47. Ausgabe, gehen Demokraten vom Wiederholungsfall aus. Um das personifizierte Chaos zu verhindern, könnte sich Amerika, wenn auch unter Stöhnen und Zähneknirschen, wieder hinter Biden versammeln, sagt der Historiker Douglas Brinkley.
DeSantis als Gefahr
Aber was, wenn Ron DeSantis obsiegt und sich bis November 2024 die radikalen Ecken abschleift? Mit seinen 44 Jahren stünde er für Aufbruch und Erneuerung. Umfragen legen nahe, dass Floridas Gouverneur dann die Nase vorn haben könnte. Dass Biden in die Verlängerung will, lenkt den Blick noch stärker als 2020 auf seine Nummer zwei: Vize-Präsidentin Kamala Harris würde sofort aufrücken, sollte Biden etwas zustoßen.
Hier haben die Republikaner einen Hebel. Die 58-Jährige, als erste Afroamerikanerin im Spitzenamt mit riesigen Erwartungen überfrachtet, rangiert beim Volk noch unter den miesen Zahlen Bidens. Sie hat nie wirklich ihre Rolle gefunden. Bis in die demokratische Kernwählerschaft herrscht Zweifel, ob die Kalifornierin es kann. Dennoch spricht nichts dafür, dass Biden ihr das „Ticket“ verweigert. Auf die Schnelle eine andere zu finden, die Schwarze und Latino-Minderheiten anspricht, erscheint „illusorisch“, heißt es in Washington.
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