Präsident Trump: Wie es dazu kommen konnte

Präsident Trump: Wie es dazu kommen konnte
Bis zum Schluss galt Donald Trump als krasser Außenseiter. Dass er sich am Ende durchsetzen konnte, liegt genau daran.

Donald Trump also. 18 Monate lang hat die Welt gelacht über die Vorstellung, die letzte und einzige Supermacht werde einen milliardenschweren Selbstdarsteller zum "Leader of The Free World" wählen.

Wirklich möglich hielten das bis zum Schluss die wenigsten. 80 Prozent Siegwahrscheinlichkeit prognostizierten die Meinungsforscher Konkurrentin Hillary Clinton. Nur einer war sich immer sicher zu gewinnen - Trump selbst: "Ich weiß wie man gewinnt, und mit mir wird Amerika wieder groß", rief er bis zum Schluss.

Dass dieser Spruch nicht als weiteres Beispiel für die Hybris des Milliardärs aus New York in sicher bald erscheinenden Biografien eingehen wird, hat viele Gründe – für die wenigsten kann Trump selbst etwas.

Präsident Trump: Wie es dazu kommen konnte
Democratic presidential nominee Senator Barack Obama (D-IL) speaks to a crowd of supporters during his "Change You Can Believe In" rally at Cashman Field in Las Vegas, Nevada September 17, 2008. REUTERS/David Allio (UNITED STATES) US PRESIDENTIAL ELECTION CAMPAIGN 2008

"Change"

Mit Trump zieht der Anführer einer wütenden Protestbewegung in das Weiße Haus ein. Wer den Abgeordneten und Lobbyisten in Washington den Mittelfinger zeigen wollte, der konnte diesmal - der amtierende Präsident ein Demokrat, die Konkurrentin eine ehemalige First Lady - aber nur republikanisch wählen.

Während Barack Obama den Wunsch nach Wandel 2008 noch in einer konkreten positiven Vision formulierte, reichte Trump acht Jahre später der Verweis auf eine marode Infrastruktur und eine Wirtschaftsentwicklung, die längst losgekoppelt vom Leben der Menschen scheint.

Gegen den Stillstand in Washington

Trump wiederholte damit ironischerweise jenes Versprechen nach Wandel, das Obama schon Jahre zuvor gegeben hatte. Dass der Demokrat die in ihn gesetzten Hoffnungen trotz zuletzt hoher Beliebtheitswerte nie wirklich einlösen konnte, lag auch an den Republikanern, die Obama immer am "Durchregieren" hinderten. Der Gegenwind in seiner Partei kam Trump da gerade recht, konnte er sich so doch nicht nur als Anti-Obama, sondern auch als Anti-Republikaner stilisieren.

Präsident Trump: Wie es dazu kommen konnte
epa05051190 A supporter holds a sign reading 'The Silent Majority Stands With Trump' while waiting for the arrival of US Republican Presidential candidate Donald Trump prior to a campaign rally at the While Mountain Athletic Club in Waterville Valley, New Hampshire, USA, 01 December 2015. EPA/CJ GUNTHER

Ein Außenseiter für alle Außenseiter

Trump war damit der Kandidat der (vermeintlichen) Außenseiter, denen die Wirtschaftskrise bis heute im Nacken sitzt und in Obama vielleicht sogar einmal eine Hoffnungsfigur sahen. Trumps Trumpf bei ihnen war, dass er von anderen selbst zu einem von ihnen gemacht wurde: Er wurde zum Polit-Außenseiter, der nicht nur von seiner Partei, der der polternde Millionärssohn aus New York zuerst zu liberal und später zu abgedreht war, sondern auch von den Medien abgelehnt wurde. Sie wollten Trump – und seine Anhänger – bis zum Schluss nicht ernst nehmen.

Der Live-Ticker der Wahlnacht zur Nachlese

Die "schweigende Mehrheit steht hinter dir" – von Beginn seiner Kampagne an, hielten Trump-Fans Plakate mit diesem Spruch hoch. Das Problem der schweigenden Mehrheit war zwar noch nie ihre Lautstärke, in Trump fanden seine überwiegend weißen, männlichen Wähler aber endlich einen Politiker, der ihre Sprache sprach – ungeschliffen, ohne Rücksicht auf "politische Korrektheit".

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US Democratic presidential candidate Hillary Clinton makes a concession speech after being defeated by Republican President-elect Donald Trump, as former President Bill Clinton and running mate Tim Kaine(R) look on in New York on November 9, 2016. / AFP PHOTO / JEWEL SAMAD

Eine ideale Gegnerin

Dass der Polit-Neuling Trump ausgerechnet gegen den verhassten Clinton-Clan antrat, war Trumps nächster Glücksfall. Gegen einen Bernie Sanders als Gegner hätte er sich, da sind sich viele Kommentatoren einig, deutlich schwerer getan. Es war die Verachtung gegenüber Hillary Clinton, die seine Wähler auch die Art, wie er über Frauen sprach, sexuelle Übergriffe verharmloste oder behinderte Menschen verspottete, vergessen ließ. Die kurz vor der Wahl wieder virulent gewordene E-Mail-Affäre bestätigte sie da nur noch in ihrer Wahrnehmung, dass sie es bei den Clintons mit einer abgehobenen Politikerdynastie zu tun haben.

Und natürlich: Clinton ist alles andere als eine brillante Wahlkämpferin. Anstatt selbst zu emotionalisieren, musste sie sich schon auf die Wahlkampfhilfe einer Michelle Obama verlassen. Am Ende brachte das mickrige zwei Prozentpunkte Vorsprung bei den Frauen. Barack Obama hatte da 2012 noch um sieben Prozentpunkte besser abgeschnitten als sein damaliger Herausforderer Mitt Romney. Auch bei Hispanics, Afro- und Asian Americans bekam Clinton nicht den Rückhalt, der ihr im Vorfeld prognostiziert worden war (siehe Grafik unten).

Niederlage der Meinungsforschung

Die US-Wahl ist aber nicht nur eine Klatsche für das politische System. Nach der Wahl Donald Trumps müssen sich auch Medien und Meinungsforscher hinterfragen. Offenbar trauten sich viele Unterstützer Trumps ihre Sympathien in Umfragen nicht offen zu bekunden - oder Demoskopen nahmen sie nicht ernst. Bis zum Schluss lag Hillary Clinton – die Kandidatin der "mainstream media", wie sie insbesondere Bernie Sanders, ihr Konkurrent aus den Vorwahlen, immer wieder titulierte - in den Umfragen vorne. Die Demoskopen werden auch ihre Haltung in dieser Wahl hinterfragen müssen.

Trump, und jetzt?

2008 wollte Barack Obama das Land einen und ein Präsident für alle Amerikaner sein. Auch dieses Versprechen sollte Trump acht Jahre später wiederholen. Der ungezügelte Choleriker gab sich in seinem ersten Statement plötzlich ganz zahm, ganz gelassen, dankte mit sanfter Stimme Hillary Clinton für den Wahlkampf (lesen Sie hier die gesamte Rede Trumps im Wortlaut) Die große Versöhnung. Ob sie gelingen wird?

Dass ausgerechnet jener Mann, der im Wahlkampf gegen illegale Einwanderer hetzte, das Land eint, scheint unvorstellbar. Eine aktuelle Umfrage der Associated Press zeigt, dass die Stimmung längst gekippt ist. Die Hälfte aller dabei Befragten gab an, sie wäre "enttäuscht" bis "zornig", wenn nicht ihr Favorit das Rennen machen würde - keine angenehmen Aussichten auf die kommenden vier Jahre.

Präsident Trump: Wie es dazu kommen konnte

Anders als die meisten Meinungsforscher und USA-Experten hatte der Politologe Reinhard Heinisch einen Wahlsieg Donald Trumps nicht für unwahrscheinlich gehalten. Im Interview führt der Uniprofessor (Uni Salzburg), der 20 Jahre in den USA gelebt und unterrichtet hat, aus, wie es zum Siegeszug des streitbaren Republikaners kommen konnte.

KURIER: Wenn 59 Millionen Amerikaner einen Mann ohne politische Erfahrung wählen, der grob ist, unkorrekt und unbeherrscht, fragt man sich: Was sehen seine Wähler in Trump?

Präsident Trump: Wie es dazu kommen konnte
Reinhard Heinisch (Universität Salzburg/ Politikwissenschaft) Foto: Teresa Zötl
Reinhard Heinisch: Sie wollten eine radikale Änderung – und Donald Trump war der Kandidat, der am glaubhaftesten Änderung verkörperte. Wenn ich als Wähler glaube, dass mein Schmerz so groß ist, ist mir jede Therapie recht, solange sie Änderung bringt. Wir sprechen von Wählern, die glauben, dass das politische System so gekippt ist, dass es radikal geändert werden muss. Und nach den ersten Exitpolls der Wahlnacht war auch zu ersehen: 36 Prozent der Wähler wollten einen starken Führer – das waren doppelt so viele wie bei der Wahl 2012. Der Wunsch nach Wandel und nach einem starken Führer – das waren zwei Komponenten dieser Wahl, die auf Donald Trump passten und nicht auf Hillary Clinton.

Welche Rolle hat die Wut der wähler gespielt?

Anhand einiger Swingstates sieht man sehr klar: Donald Trump hat mit der weißen Arbeiterschicht und der wenig gebildeten Schicht gewonnen. Diese Staaten "schwingen", weil die dort traditionell demokratisch wählenden Arbeiter jetzt alle zu Trump gegangen sind, wie etwa in Michigan oder in Ohio. Und das waren die entscheidenden Staaten. Die weiße männliche Arbeiterschaft hat zwar eine abnehmende Demografie, aber sie hat noch immer eine relative Mehrheit. Und man weiß, dass Trump bei genau diesen älteren Amerikanern deutlich führt – und diese wählen häufiger als andere Wählergruppen.

Warum lagen so viele Meinungsumfragen so weit daneben?

Meinungsumfragen können nur Wählerpräferenzen abbilden. Aber Meinungsumfragen können nichts darüber aussagen, ob der Wähler diese Präferenz auch tatsächlich an der Urne umsetzt.

Wird das Beispiel Trumps Schule machen: Nämlich faktenfrei zu argumentieren und nur noch Emotionen zu schüren?Das hat sich, wie ich in den USA schon vor Jahren beobachtet habe, seit Langem abgezeichnet. Da gibt es ein bestimmtes Weltbild, wo man sich als Opfer von globalen Entwicklungen versteht. Dahinter stehen ,finstere Kräfte‘, verhasste Politiker, Machismo, Rassismus, Konservatismus – alles spielt zusammen. Aber früher wurde man mit Fakten konfrontiert, weil die Medien durchgängig waren und auf Fakten überprüft haben. Jetzt sitzt jeder in seiner eigenen Echokammer, sieht Fox News oder hört sein Talk Radio – und in dieser Welt ist jeder, der nicht meiner Meinung ist, nicht nur der Gegner, sondern der Feind. Hillary Clinton wird dort nicht als Gegnerin wahrgenommen, sondern als Feindin, die eingesperrt werden muss. Das sind die Auswüchse von 20 Jahren böser Propaganda.

Nach dem konservativen Senat und dem konservativen Abgeordnetenhaus nun auch ein konservativer Präsident – ist das ganze Land nach rechts gerückt?

Früher waren beide Parteien eher in der Mitte. Aber die Republikaner sind nach rechts gerückt, während die Demokraten eher gleich geblieben sind. Als beide noch von der Mitte aus agierten, gab es Allianzen und Kompromisse. Aber seit die Republikaner nach rechts gerückt sind, nützen sie die im US-System vorhandenen Veto-Möglichkeiten und blockierten alles. Dadurch haben die Leute das Gefühl, es geht nichts weiter, man ist frustriert. Am Anfang wird es jetzt in Washington eine Art Honeymoon-Periode geben, wo man Dinge umsetzen wird. Aber auch die Republikaner sind ein komplexer Haufen, mit verschiedenen Ausrichtungen. Bei der Umsetzung des Klima-Vertrages wird man sich einig sein; auch bei der Immigrationsfrage. Man wird wohl mehr deportieren. Aber bei anderen Themen, wo Geld ausgeben werden muss, da sehe ich Konfliktpotenzial. Da sind sie dann so mit sich selbst beschäftig, dass sie nichts weiterbringen.

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