Obama über Trump: "Letzten Endes ist er pragmatisch"

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Trump wird sich in Teilen ändern müssen, sagt Obama. Den NATO-Partnern verspricht er Kontinuität.

Am Dienstag bricht US-Präsident Barack Obama zu seiner letzten Europareise auf. Es ist ein Abschiedsbesuch unter ungewissen Umständen. Wie sich das Verhältnis zwischen Europa und den USA unter einem Präsidenten Donald Trump gestalten wird, darüber wird aktuell heftig spekuliert. Den NATO-Partnern richtete Obama bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus am Montag schon einmal aus, er sei zuversichtlich, dass es keine Abschwächung in den Binnenbeziehungen des Militärbündnisses gebe.

Sein designierter Amtsnachfolger Donald Trump habe im Gespräch großes Interesse am Erhalt der strategischen Kernbeziehungen geäußert. Deshalb werde er den europäischen Partnern die Botschaft überbringen, dass das Engagement der USA für eine "starke und robuste NATO" nicht nachlassen werde.

Überhaupt wusste Obama von einer "herzlichen Unterhaltung" bei seinem ersten offiziellen Treffen mit Trump zu berichten. Das habe ihn insofern überrascht, als Trump doch jemand sei, der die Dinge gerne aufmische. "Ich glaube nicht, dass er ideologisch ist", sagte Obama. "Ich denke, letzten Endes ist er pragmatisch." Das Amt des US-Präsidenten habe "eine Art, dich aufzuwecken. Die Realität hat eine Art, sich bemerkbar zu machen."

Obama über Trump: "Letzten Endes ist er pragmatisch"
U.S. President Barack Obama departs following a news conference in the White House press briefing room in Washington, U.S., November 14, 2016. REUTERS/Yuri Gripas

"Habe ich Sorgen? Absolut"

Zudem zeigte sich Obama zuversichtlich, dass sein Nachfolger entgegen seinen Ankündigungen nicht aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran austreten werde.

Dennoch machte Obama keinen Hehl daraus, dass er sich wegen Trumps Präsidentschaft weiter Sorgen mache. Schließlich seien sich er und sein Nachfolger bei vielen Themen uneins. "Habe ich Sorgen? Absolut," sagte Obama, der seinem Nachfolger bei der Gelegenheit auch nahelegte, über seinen Charakter nachzudenken: "Es gibt bestimmte Teile seines Naturells, die ihm nicht guttun werden, solange er sie nicht anerkennt und korrigiert."

Obama aber bei seiner Linie, seinen Nachfolger auch nach einem extrem kontroversen Wahlkampf nicht hart anzugehen, sondern eine integrierende Botschaft auszusenden. Trumps vielfach kritisierte Entscheidung, den Nationalisten Stephen Bannon zum Chefstrategen im Weißen Haus zu machen, wollte Obama nicht kommentieren.

Er rief seinen designierten Nachfolger Trump zu "Zeichen der Einigkeit" auf. Nach dem erbitterten Wahlkampf seien diese nun nötig, sagte Obama am Montag in Washington auf einer Pressekonferenz. Es sei erforderlich, den Minderheiten, den Frauen und all den anderen, die besorgt über den Tonfall im Wahlkampf gewesen seien, die Hand zu reichen. Er sei sich sicher, dass Trump versuchen werde, der Präsident aller US-Bürger zu sein, sagte Obama. Trump meine es ernst damit, ein gutes Staatsoberhaupt zu werden.

Erstes Telefonat Trumps mit Putin

Trump selbst telefonierte am Montag zum ersten Mal mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Trump versicherte ihm nach Angaben seines Teams, dass er sich auf eine starke und dauerhafte Beziehung mit Russland freue.

Der Kreml teilte mit, beide seien sich einig gewesen, dass das gegenwärtige Verhältnis äußerst unzufriedenstellend sei. Den Angaben nach vereinbarten Trump und Putin, ihre Telefonkontakte fortzusetzen. Sie fassten auch ein persönliches Treffen ins Auge.

Putin erklärte sich bereit, mit der neuen US-Administration einen partnerschaftlichen Dialog zu führen auf Grundlage "von Gleichberechtigung, gegenseitigem Respekt und Nichteinmischung in innere Angelegenheiten".

Putin hatte als einer der ersten ausländischen Politiker Trump am vergangenen Dienstag zum Wahlsieg gratuliert. Bei dem Gespräch sei es als Teil gemeinsamer Anstrengungen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus auch um Syrien gegangen, teilte der Kreml weiter mit.

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Obama bedauert Guantanamo

Bei seiner Pressekonferenz am Montag äußerte Obama auch Bedauern darüber, dass er das umstrittene Gefangenenlager Guantanamo nicht auflösen konnte. "Es ist richtig, dass ich nicht in der Lage war, das verdammte Ding zu schließen", sagte er und stellte in Aussicht, dass in seinen verbliebenen Wochen im Amt weitere Häftlinge entlassen werden könnten. Derzeit befinden sich noch 60 Insassen in dem Lager auf Kuba, von denen 20 die Freigabe zur Entlassung oder zum Transport in ein anderes Land haben. Zehn Häftlinge müssen sich vor Militärtribunalen verantworten oder wurden bereits verurteilt. Die übrigen Männer will die US-Regierung nicht freilassen, weil sie sie für zu gefährlich hält.

Obama wollte das von seinem Amtsvorgänger Georg W. Bush errichtete Lager schon im Jänner 2009 schließen, er scheiterte jedoch. Im Februar unternahm er einen neuen Versuch. Der von den Republikanern dominierte Kongress sträubt sich jedoch dagegen, dass die verbliebenen Häftlinge auf amerikanischen Boden verlegt werden.

Barack Obama kommt nach Berlin - zum zweiten und letzten Mal als US-Präsident. Der Besuch war eigentlich als Höflichkeitsgeste gedacht, gegenüber Angela Merkel, mit der Obama acht Jahre lang eng zusammenarbeitete. Nach der Wahl Donald Trumps zu seinem Nachfolger ist alles anders. Die spektakuläre Entscheidung des amerikanischen Volkes überschattet den Besuch.

Zusammen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und am Freitag auch mit den Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien, wird Obama nach Möglichkeiten suchen, das Erreichte nicht gänzlich zu opfern. Die wichtigsten Politikfelder:

ATOMPOLITIK: Die internationale Gemeinschaft kämpfte jahrelang darum, den Iran in ein bindendes Atomabkommen zu integrieren. 2015 war es endlich soweit, der Westen jubelte, Israel nicht. Donald Trump hatte angekündigt, das Abkommen, das dem Iran die zivile Nutzung der Atomkraft unter strengen Kontrollen des Westens sichert, rückgängig machen zu wollen. China, Russland, Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben ebenfalls unterschrieben. Ein Alleingang Trumps könnte alles zunichte machen.

KLIMASCHUTZ: Die US-Republikaner sind die einzige größere politische Kraft des Westens, die einen vom Menschen verursachten Klimawandel leugnen. Donald Trump ist in seiner Partei keine Ausnahme. Er hat angedroht, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, das rund 200 Länder unterzeichnet und mehr als 70 bereits ratifiziert haben und das auch bereits in Kraft gesetzt ist, ausscheren oder zumindest nachverhandeln zu wollen. Politisch ist dagegen von außen schwer vorzugehen. Trump könnte mit seiner Energiepolitik pro Kohle und Öl die vereinbarten Emissionsziele schlicht mutwillig verfehlen, ohne diplomatisch überhaupt tätig zu werden.

WIRTSCHAFT UND FINANZEN: Die Finanzstabilität Griechenlands gehört zu den Hauptzielen von Obamas Reise. Er steht aufseiten des Internationalen Währungsfonds und vertritt die Ansicht, Griechenland brauche neben wirtschaftlichen Reformen auch Entlastung von seinen Schulden, um nachhaltig wieder auf die Beine zu kommen. Die Bundesregierung sieht das völlig anders. Das griechische Problem seien nicht die Schulden, hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble mehrfach betont. Der Dauerstreit könnte auch in Berlin auf den Tisch kommen. Insgesamt will Trump das untermauern, was international als Mainstream gilt: Die Globalisierung ist nicht optimal, sie muss fortentwickelt werden - aber sie wird sicher nicht rückgängig zu machen sein.

TERRORBEKÄMPFUNG: Der scheidende US-Präsident will bei der Terrorismusbekämpfung noch einmal mit seinen wichtigsten Partnern Pflöcke einschlagen. Das gilt für die Abwehr von Gefahren auf eigenem Terrain wie auch im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Im Irak schreitet die Anti-IS-Koalition gerade in der IS-Hochburg Mossul voran. Die Terrorabwehr mit Hilfe der geheimdienstlichen Verarbeitung von Online-Daten war einer der großen Streitpunkte in Obamas Amtszeit mit Deutschland. "Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht", hatte Merkel 2013 erklärt. Die Positionen sind inzwischen nicht mehr so verhärtet.

NATO: Donald Trump hat wiederholt die Beziehungen der Vereinigten Staaten zur NATO infrage gestellt. Tenor: Die USA sind so stark, die brauchen keine NATO. Obama versucht, dies schon vor seiner Abreise nach Europa wieder abzuräumen. Trump habe ihm versichert, dass er großes Interesse habe, die strategischen Kernbeziehungen aufrechtzuerhalten. Die führenden Staatsleute Europas werden möglicherweise noch ein paar tiefergehende Fragen an Obama zum Thema haben.

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