US-Justizminister kritisiert Notwehrgesetz

epa03790140 U.S. Attorney General Eric Holder delivers a keynote address at the 104th annual National Association of the Advancement of Colored People (NAACP) Convention in Orlando, Florida, USA, 16 July 2013. Holder's appearance comes just days after George Zimmerman's acquittal in the 26 February 2012 shooting death of 17 year-old Trayvon Martin in Sanford, Florida. EPA/BRIAN BLANCO
Eric Holder stellte die gesetzliche Grundlage zur "sinnlosen Ausweitung der Selbstverteidigung" in Frage.

In Florida ticken die Uhren anders. Fühlt man sich als Bürger von einem Gewaltverbrechen bedroht, darf man alles dafür tun um sich zur Wehr zu setzen. Selbst die Tötung eines mutmaßlichen Angreifers wird in Kauf genommen. Die Regelung ist unter dem Namen "Stand-Your-Ground-Law" (deutsch: Nicht von der Stelle weichen) bekannt. Ähnliche Gesetze gelten in vielen anderen US-Bundesstaaten. Eben jenes Gesetz führte zum Freispruch von George Zimmerman, jenem Mann der den jungen, mit Kapuzenpulli bekleideten, schwarzen Trayvon Martin als „Angreifer“ identifizierte und ihn anschließend erschoss.

Nach anhaltenden Protesten um das Urteil schaltete sich nun auch US-Justizminister Eric Holder in die Debatte ein. In einer Rede vor der Schwarzenorganisation NAACP äußerte er am Dienstag "Besorgnis" über den Fall des getöteten schwarzen Trayvon Martin, vermied aber sorgfältig jede Festlegung auf eine neue Anklage gegen Zimmerman.

Unabhängig davon sei es an der Zeit, Gesetze infrage zu stellen, "die sinnlos das Konzept der Selbstverteidigung ausweiten und damit den Boden für gefährliche Konflikte in unseren Gemeinden bereiten", sagte Holder in Orlando (Florida). Solche Gesetze würden eher zur Gewalt beitragen, als diese zu verhindern.

Eine Welle der Empörung

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Brooklyn Nimoh of New York wears a "Justice For Tr
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Will Reese holds a protest sign in response to the
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A protester blocks an Expo Line train following th
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USA ZIMMERMAN TRIAL VERDICT
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Protesters block an Expo Line train at the interse
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A driver on Crenshaw Boulevard holds an American f
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Demonstrators march during a protest against the a
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A woman shouts during a demonstration against the
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Demonstrators block traffic on the Interstate 10 f

Protest & Boykott

Die Verteidigung hatte sich im Prozess zwar nicht ausdrücklich auf diese Regelung berufen, dennoch spielte sie nach Einschätzung von Rechtsexperten beim Freispruch eine Rolle. Zimmerman hatte in dem Prozess Notwehr geltend gemacht.

Holder, der selbst Afroamerikaner ist, bekräftigte, dass seine Justizbehörde die Frage prüfe. Es würden alle zur Verfügung stehenden Informationen abgewogen würden, "bevor wir entscheiden". Die Schwarzenorganisation NAACP fordert, dass Zimmerman jetzt wegen Verletzung der Bürgerrechte von Trayvon Martin vor ein Bundesgericht gestellt wird. Bis Dienstagabend hatten bereits mehr als eine Million Menschen online eine entsprechende Petition unterschrieben.

Der amerikanische Sänger Stevie Wonder (63) will wegen des Notwehrgesetzes den US-Staat Florida künftig boykottieren. Er werde dort nicht mehr auftreten, solange die "Stand Your Ground" - Regelung nicht abgeschafft werde, sagte die Soul-Legende nach Angaben des Hollywood Reporter.

Die Tatsache, dass der getötete US-Teenager Trayvon Martin ein Afroamerikaner war, hat nach Ansicht einer Geschworenen keine Rolle gespielt. Der Todesschütze George Zimmerman habe den Jugendlichen einfach verdächtig gefunden. "Spanisch, weiß, asiatisch .... George hätte auf gleiche Weise reagiert", sagte die als "Geschworene B-37" vorgestellte Frau nach dem Freispruch von Zimmerman im Prozess um den Tod von Trayvon Martin dem US-Nachrichtensender CNN.

Die Hautfarbe sei auch bei den Jury-Mitgliedern kein Thema gewesen. Die Geschworene erklärte, Zimmerman habe Martin ins Visier genommen, weil er Nachbarschaftswächter war und der Bursch ihm verdächtig vorgekommen sei. "Ich denke, dass nur die Umstände George dazu veranlasst haben, zu denken, er könnte ein Räuber sein oder versuchen, etwas Böses in der Nachbarschaft zu machen, aufgrund all dessen, was vorangegangen war. Es gab eine unglaubliche Zahl an Raubüberfällen in der Nachbarschaft", sagte die Geschworene laut CNN.

Proteste

Seit dem Freispruch Zimmermans protestieren in den USA Menschen gegen das Urteil. Der Vorwurf des Rassismus steht im Raum. Zimmerman, Sohn einer peruanischen Mutter und eines weißen US-Bürgers, hatte Martin am Abend des 26. Februar 2012 nahe Orlando erschossen. Obwohl der schwarze Jugendliche unbewaffnet war, ließ die Polizei den Schützen zunächst laufen. Zimmerman hatte erklärt, dass Martin ihn zuerst attackiert habe.

Der Tod des 17-jährigen Trayvon Martin in Florida hat Amerika aufgewühlt. Der schwarze Jugendliche war von George Zimmerman, einem Mitglied einer Bürgerwehr, erschossen worden. Spekulationen über ein mögliches rassistisches Motiv sorgten während des Prozesses für Schlagzeilen. Knapp eineinhalb Jahre vergingen bis zum Freispruch. Eine Chronologie der Ereignisse:

26. Februar 2012: In Sanford (Florida) erschießt George Zimmerman den unbewaffneten schwarzen Teenager Trayvon Martin. Zimmerman, Mitglied einer Nachbarschaftwache, wird zunächst festgehalten und kurz darauf wieder freigelassen. Er erklärt, aus Notwehr gehandelt zu haben.

8. März 2012: Die Eltern von Trayvon Martin initiieren eine Internetpetition, in der sie die Strafverfolgung Zimmermans fordern.

13. März 2012: Die US-Medien werden auf den Fall aufmerksam.

16. März 2012: Im Internet werden Mitschnitte von Notrufen veröffentlicht, die Augenzeugen abgesetzt haben. Darunter ist auch ein Anruf Zimmermans, der einen "verdächtigen Typen" meldet.

19. März 2012: Das US-Justizministerium kündigt Ermittlungen an. Eine 16-Jährige erzählt dem Anwalt der Familie Martin, dass Trayvon Martin sie kurz vor seinem Tod angerufen habe, da er verfolgt werde.

20. März 2012: Die Staatsanwaltschaft gibt bekannt, dass am 10. April über eine Anklage gegen Zimmerman entschieden werden soll.

21. März 2012: Martins Eltern nehmen in New York am "Million Hoodie March", einer Demonstration gegen Rassismus und für Gerechtigkeit, teil. Viele Teilnehmer tragen einen schwarzen Kapuzenpullover ("Hoodie") - ähnlich jenem, den Martin am 26. Februar anhatte. In den folgenden Tagen weiten sich die Protestkundgebungen auf mehrere US-Städte aus. Via Facebook und Twitter machen Millionen Menschen ihrem Ärger Luft. Bilder mit prominenten "Hoodie"-Trägern kursieren, auf Twitter weisen Prominente auf den Fall hin.

23. März 2012: US-Präsident Barack Obama spricht den Eltern des Opfers sein Mitgefühl aus: "Wenn ich einen Sohn hätte, er würde wie Trayvon aussehen." Bereits 1,5 Millionen Menschen unterstützen die Internetpetition von Martins Eltern. 3. April: Auch das FBI ermittelt nun in dem Fall.

9. April 2012: Zimmerman äußert sich erstmals seit seinem Abtauchen kurz nach Martins Tod. Über das Internet ruft er zu Spenden für seinen rechtlichen Beistand auf.

11. April 2012: Die Sonderermittlerin der Staatsanwaltschaft teilt mit, dass Anklage gegen Zimmerman erhoben wird. George Zimmerman muss sich wegen Mordes mit bedingtem Vorsatz ("second degree murder") verantworten.

5. Juni 2012: Zimmerman kommt gegen eine Kaution in Höhe von einer Million Dollar erneut auf freien Fuß. Eine erste Haftentlassung gegen Zahlung von 150.000 Dollar Kaution war vier Tage zuvor wegen falscher Angaben über die Vermögensverhältnisse aufgehoben worden.

21. Juni 2012: Sanfords Polizeichef Bill Lee wird gefeuert. Im Zusammenhang mit dem Fall Trayvon Martin habe er das Vertrauen und den Respekt eines Teils der Gemeinde verloren, hieß es zur Begründung.

26. Februar 2013: Am Jahrestag der tödlichen Schüsse auf Trayvon Martin halten Hunderte Demonstranten in New York eine Mahnwache ab. Viele Teilnehmer tragen Kapuzenpullover.

20. Juni 2013: Mit zehn Tagen Verzögerung werden die Geschworenen für den Prozess gegen Zimmerman gewählt. Sechs Frauen - fünf Weiße und eine Hispano-Amerikanerin - sollen über Schuld oder Unschuld entscheiden.

24. Juni 2013: In Sanford beginnt der Prozess. Die Staatsanwaltschaft wirft Zimmerman vor, Martin bewusst erschossen zu haben. Der Angeklagte beharrt weiter auf Notwehr.

11. Juli 2013: Die Schlussplädoyers beginnen. Staatsanwalt Bernie de la Rionda nennt Zimmerman einen "Möchtegern-Cop", der in dem 17-Jährigen einen Kriminellen gesehen habe. Verteidiger Mark O'Mara entgegnet, Zimmerman habe aus Notwehr geschossen und sei freizusprechen.

13. Juli 2013: Die Geschworenen befinden Zimmermann des Mordes mit bedingtem Vorsatz für nicht schuldig. Er verlässt das Gericht als freier Mann.

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