Unsicherheit in Kairo und auf dem Sinai
Es fühlt sich an, als ob du im Meer stehst – du weißt, die Welle wird gleich kommen und sie könnte deine Knochen brechen.“ So erklärt der junge Muslimbruder Ahmed, wie es sich anfühlt, Tag für Tag im Protestcamp der Mursi-Anhänger in Kairo zu sein und auf die Räumung durch die Armee zu warten. Aber er geht nicht nach Hause. „Denn du weißt, du stehst hier für die Freiheit und für das, woran du glaubst.
Seit fünf Wochen ist Ahmed jeden Tag im Pro-Mursi-Camp am Rabaa-Platz in Kairo. Die Ankündigung der Regierung, die U-Haft Mursis um 15 Tage zu verlängern, hat ihn darin nur bestärkt. Jetzt will das Innenministerium die Protestcamps endgültig räumen. Durch „Aushungern“: mit Blockaden und der Unterbrechung von Wasser- und Stromleitungen.
Die Blockaden seien nur Gerüchte, die Demonstranten hätten genug Wasser, sagt Ahmed zum KURIER. „Die Ankündigung hat nichts geändert“, sagte der junge Mann am Montag. „Nur, dass noch mehr Leute herkommen.“ Man schütze sich mit Gasmasken und „friedlichen Mitteln zur Verteidigung“. Die Regierung will die Camps „ohne Blutvergießen“ räumen. Doch das scheint fast unmöglich.
Halbinsel der Radikalen
Während die Lage in Kairo bis Montag ruhig war, kamen erneut besorgniserregende Meldungen vom Sinai. Dort kam es verstärkt zu Kämpfen. Am Freitag starben vier Extremisten durch zwei Raketen, die Gerüchten zufolge von der israelischen Armee abgefeuert worden waren. Auch wenn das die Militärs beider Seiten heftig dementieren. Die Islamisten schworen Rache. Am Wochenende forderten Kämpfe und Raketen Menschenleben.
Seit Monaten finden auf der Halbinsel an der Grenze zu Israel regelmäßig Anschläge statt. Seit dem Sturz Mubaraks im Februar 2011 haben sich internationale Dschihadisten und El-Kaida-nahe Gruppen im Norden der Halbinsel breitgemacht. „Ein geschwächter oder abwesender Staat biete – wie auch im Jemen – gute Möglichkeiten für diese Entwicklung“, sagt Nahost-Experte Udo Steinbach zum KURIER.
Mohammed Mursi hatte kurz nach seiner Amtseinführung als Präsident Mitte 2012 die Armeeeinheiten am Sinai verstärkt, um die Aktivitäten der islamistischen Gruppen dort zu unterbinden. Ohne Erfolg. Seit Monaten herrsche ein „Kleinkrieg“ in dem sensiblen Grenzgebiet zwischen Ägypten und Israel, sagt Islamwissenschaftler Steinbach. Dieser Konflikt gefährde die Beziehung zwischen den Nachbarländern, die auf dem Friedensvertrag von 1979 basiert.
Friedensvertrag
Laut Vertrag muss die Sinai-Halbinsel weitgehend entmilitarisiert bleiben. Truppenaufstockungen wie durch Mursi im Vorjahr oder die der aktuellen Übergangsregierung Mitte Juli müssen von israelischer Seite bewilligt werden. Udo Steinbach geht davon aus, dass sich die ägyptische und die israelische Armee auch in den vergangenen Tagen abgesprochen haben. „Ich glaube, dass es eine stillschweigende Übereinkunft gibt“, sagt er zum KURIER. Beide Seiten bekämpfen die Extremisten, die das Ziel verfolgen, Israel auszulöschen. Die wachsende Mobilität von Islamisten, die über Tunnel vom Gazastreifen nach Ägypten kommen, sowie Waffen aus dem instabilen Libyen machen das aber immer schwieriger.
Bilder aus den Protestcamps:
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