Meinl-Reisinger in Budapest: Wenn liberal auf konservativ trifft

Rechtsstaatlichkeit, Korruptionsvorwürfe, die Kriminalisierung von Homosexuellen und Trans-Personen: Aus liberaler Sicht gibt es Genügend zu kritisieren an Viktor Orbáns Ungarn. Zur verbotenen Pride Parade in Budapest sind die Neos als selbsternannter "Alptraum Orbáns" angereist; den "Freundschaftsvertrag" des rechtskonservativen Ministerpräsidenten mit FPÖ-Chef Herbert Kickl anlässlich Orbáns Besuch bei Nationalratspräsident Walter Rosenkranz im Vorjahr hatte die damalige Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger heftig kritisiert: "Nicht in unserem schönen Landesnamen!"
Am Donnerstag stand Meinl-Reisinger erstmals als Außenministerin neben ihrem ungarischen Pendant Péter Szijjartó in Budapest, und gab sich wesentlich diplomatischer: Ja, man habe "unterschiedliche Ansichten", und die wurden auch deutlich: Meinl-Reisinger betonte Russlands Aggression und den russischen Drohnenflug über Polen als "klaren Schritt der Eskalation"; Szijjartó kam Russland nicht über die Lippen, man verurteile jedoch die Verletzung der polnischen Integrität.
Sondersteuer trifft österreichische Unternehmen hart
Die österreichisch-ungarischen Beziehungen bezeichnete Szijjartó nüchtern als "gut"; einig sei man sich, man müsse die "wirtschaftliche Stärke Europas" wieder betonen und an Wettbewerbsfähigkeit zuzulegen. Beide lobten die Zusammenarbeit in Bekämpfung "irregulärer" Migration, so Meinl-Reisinger, wobei Szijjartó von "illegalen Migranten" sprach.
Meinl-Reisingers Vorgänger, Alexander Schallenberg (ÖVP), war in seiner Amtszeit übrigens nie zu einem bilateralen Treffen mit Szijjartó nach Budapest gereist. Es sei "wichtig, den Dialog aufrecht zu erhalten", selbst wenn es schwierige Themen gebe, so die Außenministerin. Eines davon: die ungarische "Sondersteuer" von 4,5 Prozent auf den Umsatz ausländischer Großunternehmen, die etwa Spar im Vorjahr 75 Millionen Euro gekostet und ein negatives Ergebnis beschert hat. Über die "freuen wir uns nicht", aber man vertraue darauf, dass unabhängige Richter eine entsprechende Entscheidung dazu treffen.

Spar ist die zweitgrößte Supermarktkette in Ungarn.
Fragt man Vertreter österreichischer Großunternehmen, will keiner seinen Namen in der Zeitung stehen sehen. Doch die Meinung ist einheitlich: Die Steuer sei ein "unfaires Mittel", sie gilt für Branchen, zum Beispiel Banken oder Lebensmittelhändler, in denen der ausländische Marktanteil besonders hoch ist; nicht aber im IT- oder Bausektor, in dem ungarische Firmen, und nicht selten dem Ministerpräsidenten nahestehende Unternehmen, dominieren. Man würde gerne mehr investieren, doch die hohen Abgaben schrecken ab.
Ungarn vor erbittertem Wahlkampf
Hinter vorgehaltener Hand wird jedoch bereits über einen Lichtblick gesprochen: die Parlamentswahlen im Frühling 2026. "Die gesamte Privatwirtschaft, die nicht an Orbáns Geldern und staatlichen Aufträgen hängt, hofft auf eine Änderung", so ein österreichischer Vertreter zum KURIER.
Die ungarische Regierung greift regelmäßig mittels Preisdeckel und Mengenbeschränkungen in den Lebensmittelbranche ein. Im Frühling wurde die Handelsmarge, also der Aufschlag des Großhändlers auf den Einkaufspreis, auf 30 Grundnahrungsmittel auf maximal 10 Prozent des Großhandelspreises beschränkt.
Seit vergangenem Herbst läuft ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn aufgrund der Sondersteuer für große, ausländische Einzelhändler etwa im Lebensmittel- oder Bankenbereich: Sie beträgt etwa für Lebensmittelhändler bis zu 4,5 Prozent auf den Umsatz. Spar ist die zweitgrößte Supermarktkette in Ungarn. Laut ungarischem Außenminister sind 2.200 österreichische Unternehmen in Ungarn tätig, Österreich ist der viertwichtigste Handelspartner Ungarns. Über 200.000 Arbeitsplätze in Österreich und Ungarn werden durch die bilaterale wirtschaftliche Zusammenarbeit geschaffen.
Die Wahlen in Ungarn und die steigende Popularität des ehemaligen Orbán-Anhängers Péter Magyar – dessen Tisza-Partei liegt in Umfragen bei 41, Orbáns Fidesz bei 34 Prozent – lässt "den Hund nicht nur bellen, sondern auch beißen", sagt András Léderer vom Hungarian Helsinki Committee, das sich für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzt. Früher waren es öffentliche Kampagnen gegen Kritiker, "heute müssen sich Familienmitglieder fürchten, ihren Job oder staatliche Unterstützung zu verlieren", so Léderer.
Angst vor "legaler" Repression
Die Organisation bietet juristischen Beistand für solche Fälle an – bisher: Unter dem Deckmantel des "Schutzes der nationalen Souveränität" will die ungarische Regierung ein Gesetz erlassen, dass die Arbeit von NGOs und Medien, die Geld aus dem Ausland erhalten, kriminalisiert – das Gesetz soll trotz angedrohter Zurückhaltung finanzieller Mittel der EU Ende September wieder auf der Agenda des Parlaments stehen.
Damit gäbe es eine rechtliche Grundlage für das Vorgehen der Regierung gegen kritische Stimmen. Einer Regierungsbehörde würde erlaubt, eine "schwarze Liste" von unerwünschten NGOs oder Medien zu führen, sie dürften überwacht und mit hohen Geldstrafen bestraft werden. "Dabei finanziert Fidesz selbst konservative Narrative im Ausland, durch Think Tanks wie das Mathias Corvinus Collegium und Förderungen an rechte Parteien in Frankreich und Spanien – mit ungarischen Steuergeldern", sagt Léderer.

Der oppositionelle Budapester Bürgermeister Gergely Karácsony.
Ein erstes Beispiel für die zunehmende Repression: der oppositionelle Budapester Bürgermeister Gergely Karácsony, den Meinl-Reisinger ebenso traf. Er wird nach Abhalten der von Orbán verbotenen Pride-Parade im Juni, an der 200.000 Menschen teilnahmen, als Verdächtiger in einem Ermittlungsverfahren geführt. Bei einer Verurteilung könnten ihm bis zu ein Jahr Gefängnis drohen.
Für Meinl-Reisinger und Szijjartó ging es von Budapest weiter nach Bratislava, zum C5-Treffen mit Tschechien, Slowakei und Slowenien. Genügend Gesprächsbedarf gibt es auch dort, Szijjartó genießt dort die Rückendeckung von Robert Ficos russlandfreundlicher Slowakei.
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