UN-Friedensmissionen: Zur UN-Tätigkeit verdammt?

UN-Soldaten der Mission MONUSCO im Kongo: Im Juli 2022 stürmen Demonstranten UN-Lager, werfen der UNO Untätigkeit vor.
Beinahe 50 Jahre wird die UN-Mission „United Nations Interim Force in Lebanon“ (UNIFIL) bestanden haben, wenn sie Ende 2026 endgültig ihre Zelte abbricht. „Vorläufig“ ist für die Vereinten Nationen (UN) also ein dehnbarer Begriff – gleichzeitig gaben die Kriege und Konflikte im Land und in der Region fast keine Zeit für Verschnaufpausen.
Nur: Gab es sie, nutzten die Missionschefs diese nicht, um dem seit 2006 klar definierten Auftrag nachzukommen: Offiziell sollen die Blauhelme unter anderem dafür sorgen, dass niemand außer der libanesischen Armee in diesem Gebiet patrouilliert – gemäß der UN-Resolution 1701 sollen sie die libanesischen Streitkräfte dabei unterstützen, die schiitische Terrororganisation Hisbollah zu entwaffnen. Hätten die UN-Soldaten die entsprechenden Befehle bekommen, hätten sie nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Die Geduld, mit der UNIFIL-Soldaten sich etwa bei regelmäßigen Straßenblockaden durch Hisbollah-Anhänger verhielten, ist wohldokumentiert. Und das, obwohl es auch zu Gewaltausbrüchen und getöteten UN-Soldaten kam.
Zwischen den Fronten
Dass eine Entwaffnung der Hisbollah (noch) nicht der Fall war, liegt vor allem an der bis dato gelähmten libanesischen Innenpolitik, in der der politische Flügel der Hisbollah ein starker Faktor war und ist. Dennoch: Mehr als zehntausend Soldaten an der „Blue Line“ zwischen Israel und dem Libanon – und am Status quo ändert sich nichts?
Auch das Argument, dass die Blauhelme eine direkte Konfrontation zwischen der Hisbollah und Israel erschweren, geschweige denn verhindern könnten, ist mit dem 7. Oktober 2023 beiseite gewischt. Wäre es nur diese Mission, die für Kritik sorgte, hätte die Frage nach der Zukunft von UN-Friedensmissionen vielleicht weniger Brisanz.
Doch nach dem Abzug der UN-Mission MINUSMA in Mali, die sich 2023 auf Wunsch der russisch gestützten Putschregierung in Bamako nach zehn erfolglosen Jahren zurückziehen musste, nach Vergewaltigungsvorwürfen, illegalen Waffengeschäften, Nicht-Eingreifens bei Massakern, drängt sich diese Frage auf. Die Debatte über den Sinn von UN-Missionen ist nicht neu. Spätestens seit Srebrenica wird hart kritisiert und diskutiert. Ihre Fürsprecher geben zu bedenken, was Regionen hätte passieren können, wären die jeweiligen Missionen dort nicht aktiv.

UNIFIL im Libanon im August 2025.
Erfolgreiche Missionen
Auch erwiesen sich einige UN-Missionen als erfolgreich: In Namibia gelang es einer Mission, in den 80er-Jahren, nach einem verheerenden Krieg die Grundlage für die Unabhängigkeit des Landes zu schaffen. In Osttimor begleiteten Blauhelme die Bevölkerung in die Unabhängigkeit.
Die Probleme solcher Missionen beginnen mit dem UN-Sicherheitsrat: Mandate werden oft durch die Interessen der fünf ständigen Mitglieder (USA, China, Russland, Frankreich, Großbritannien) verwässert. In einer zunehmend multipolaren Welt divergieren die Interessen noch stärker – die logische Folge davon: Dadurch entstehen langjährige Missionen, meist nur mit Beobachtungsmandaten ausgestattet, die am Status quo meist nichts ändern können.
Seit 1948 wurden über 70 UN-Friedensmissionen autorisiert und durchgeführt.
Mehr als eine Million Soldaten, Polizisten und zivile Mitarbeiter haben in den vergangenen Jahrzehnten unter UN-Flagge in Friedensmissionen gedient.
5,6 Milliarden Dollar betrug der bewilligte UN-Friedensmissionen-Budgetrahmen für den Zeitraum 1. Juli 2024 bis 30. Juni 2025. Das entspricht etwa 0,23 Prozent der weltweiten Militärausgaben. Im Jahr zuvor waren es 6,1 Milliarden Dollar.
Elf UN-Friedensmissionen existieren derzeit – davon fünf in Afrika.
UN-Mission in der Ukraine?
Der UN-Sicherheitsrat wird höchstwahrscheinlich auch der Hauptgrund dafür sein, wenn es nicht zu einer UN-Mission in der Ukraine kommt. Eine „UN-Friedenssicherungsministeriale“, die im Mai in Berlin stattfand, forderte den UN-Sicherheitsrat auf, „realistische, priorisierte und bedarfsorientierte Mandate zu vereinbaren, die den normativen Rahmen und die Standards der UN beibehalten“. Erklärungen wie diese gibt es zuhauf – tatsächliche Reformen lassen auf sich warten. Ebenso wird seit Jahren über eine Reform des UN-Sicherheitsrats diskutiert, den ständigen Mitgliedern dürfte dies egal sein.
Wenig hilfreich für die Zukunft der UN-Friedensmissionen dürfte das Ergebnis des vor einem Jahr abgehaltenen UN-Zukunftsgipfels gewesen sein. Man wolle „Friedensoperationen besser an bestehende Herausforderungen und neue Realitäten anpassen“. Wie? Indem man sicherstelle, dass die Operationen von „einer integrativen politischen Strategie und anderen nichtmilitärischen Ansätzen begleitet werden“. Außerdem wolle man „die eigentlichen Konfliktursachen angehen“. Der 66-seitige „UN-Zukunftspakt“ zeigt die aktuellen Probleme der Friedensorganisation unfreiwillig auf: Schlagworte sind der kleinste gemeinsame Nenner in einer Welt im Umbruch.
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